Kanada

Abschied von Alaska

Zwei, drei Tage haben wir noch in Anchorage, bevor der Flieger nach Seattle geht. Genug Zeit um alle (Ab-)Reisevorbereitungen zu treffen. Fuer mein Fahrrad ist die Reise durch, ich werde mich vorerst nicht mehr in den Sattel schwingen. Auch Juwi muss sein Bike fuer diesen Flug in einen Karton packen, aber danach stehen noch weitere Fahrradkilometer fuer ihn auf dem Programm. Tief in der Nacht geht der Flug nach "Sueden" (Seattle). Es heisst Abschied nehmen von Jasons Hostel und dem schwaebischen Herbergsvater Markus. Alaska muss von allen amerikanischen Staaten am heftigsten mit dem Problem Alkoholismus kaempfen, was sicher auch mit den kalten, langen Wintern zu tun hat. Dieser Zustand ist auch im Hostel zu spueren und laesst die treuen Herbergsmitarbeiter desoefteren kraeftig schwitzen. Mehrfach werden Personen (waehrend unseres Aufenthalts) zur Ausnuechterung abtransportiert, in einem besonders unangenehmen Fall erscheint die Polizei sogar mit sechs Einsatzfahrzeugen.

Raus mit den langen Hosen

Nachdem wir im letzten Bericht die problematische Moskitosituation im Norden Kanadas beklagt haben, wollen wir jetzt mit ein paar Fakten belegen, dass wir uns nicht nur aus lauter Wehleidigkeit beschweren. Laut kanadischen Studien finden sich bis zu 12 Mio. (in Zahlen: 12 000 000) Moskitos auf einem Hektar. Würde sich ein erwachsener Mann ohne Gegenwehr 2 Stunden diesen Blutsaugern aussetzen, müsste er mit 280 Stichen pro Minute rechnen und würde dabei die Hälfte seines kompletten Blutes verlieren. Tatsächlich bedeutet dieser Blutverlust für junge Karibus ein echtes Problem (manche Theorien führen die Wanderungen der Karibus sogar auf diesen Umstand zurück). Auch erwachsene Elche verlieren dank der durstigen Insekten bis zu einem halben Liter Blut am Tag.

Juwi mit den Zauberhänden

Nach unserem Ruhetag in Fort Nelson wollen wir eben wieder losrollen, als ich bemerke, dass die Bremsbacken an meinem Hinterrad schleifen!! Erst am Vortag hat Juwi zum wiederholten male an meiner Felge bzw. Speichen gebastelt und jetzt das!!! Keine 500m Radstrecke liegen hinter uns und ich muß bereits die hintere Bremse aushängen um nicht den Reifen zu ruinieren. Prima Start und es warten noch ca. 999,5km bis zum rettenden Radhändler in Whitehorse. Teilweise müssen wir in 20km-Abständen anhalten, das Gepäck abnehmen und dann die Speichen nachziehen, einmal sogar unweit eines Klee fressenden Schwarzbären. Bei Tageskilometer 104 müssen wir die Bremsbacken abmontieren, der eiernde Hinterreifen reibt jetzt sogar an den ausgehängten Bremsen. In Gedanken sehe ich mich schon mit ausgestrecktem Daumen an der Strasse stehen. Wir sind am einsamsten Abschnitt des gesamten Alaska Highway und ich habe einen Mega-Achter im Hinterrad. Besser hätten wir es nicht planen können!!!

Alaska Highway – Kilometer 453

Wir entfernen uns immer weiter von der Zivilisation und damit wird die laufende Berichterstattung natürlich nicht einfacher. Die Bilder können wir aus technischen Gründen leider immer erst Tage später an den Bericht anhängen. Es lohnt die alten Berichte nachträglich wieder aufzurufen, z.T. finden sich dort neue Bilder. Doch zurück ins aktuelle Tagesgeschehen. Wir sind in dem kleinen Ort Fort Nelson angekommen, km 453 des Alaska Highway.

Von Prince George nach Dawson Creek haben wir erneut die Rocky Mountains gequert und auf moskitoverseuchten Zeltplätzen übernachtet. Nahe Dawson Creek durften wir in dem Fünf-Häuser-Ort Progress nahe der Freien Kirche von Pastor Lee zelten. Gebeutelt von schlechtem Wetter und Wind, wollten wir uns etwas bei ihm ausheulen. Er meinte aber nur, dass in dieser Region Schnee in jedem Monat fallen könnte und minus 50 bis 55° Celsius im Winter nicht ungewöhnlich seien. Als uns kurz darauf ein Schweizer Radfahrer berichtet, er hatte im Norden von British Columbia so starken Gegenwind, dass er selbst in der Ebene schieben musste, wird uns klar, dass wir jeden Tag mit halbwegs brauchbaren Wetterverhältnissen wertschätzen müssen.

Das wahre Kanada??

Das Wetter kippt, vorbei sind die Zeiten mit saharaähnlichen Temperaturen und schweissnassen Radlern. Doch das Wetter kippt zu stark. Nach einem schneereichen Winter springt auch der Sommer etwas aus der Reihe. Er ist zu kühl und unangenehmerweise zu feucht. Regenjacke und -hose müssen wir immer öfter auspacken. Doch damit haben wir eigentlich gerechnet. Auch an anderer Stelle wird Kanada langsam unserer „Erwartungshaltung“ gerecht. Die Strassen werden immer einsamer (bisheriger max. Streckenrekord von Ortschild zu Ortschild: 211km) und die Natur immer ursprünglicher. Wildtiere sind mittlerweile ein treuer Begleiter der Reise. Neben Adlern, Hirschen und Elchen tauchen auch regelmäßig Bären auf. Kaum ein Fahrtag vergeht an dem wir nicht einen der pelzigen Gesellen sichten. Noch sind es ausschließlich Schwarzbären, doch einen Grizzly sollten wir auch bald in der Sammlung haben (in der sich schönerweise auch schon ein Luchs und etliche Dickhornschafe befinden).

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