Raus mit den langen Hosen

Nachdem wir im letzten Bericht die problematische Moskitosituation im Norden Kanadas beklagt haben, wollen wir jetzt mit ein paar Fakten belegen, dass wir uns nicht nur aus lauter Wehleidigkeit beschweren. Laut kanadischen Studien finden sich bis zu 12 Mio. (in Zahlen: 12 000 000) Moskitos auf einem Hektar. Würde sich ein erwachsener Mann ohne Gegenwehr 2 Stunden diesen Blutsaugern aussetzen, müsste er mit 280 Stichen pro Minute rechnen und würde dabei die Hälfte seines kompletten Blutes verlieren. Tatsächlich bedeutet dieser Blutverlust für junge Karibus ein echtes Problem (manche Theorien führen die Wanderungen der Karibus sogar auf diesen Umstand zurück). Auch erwachsene Elche verlieren dank der durstigen Insekten bis zu einem halben Liter Blut am Tag.

Doch zurück zu positiveren Dingen. Seit Whitehorse habe ich wieder eine intakte Felge am Hinterrad. Voll Elan verlassen wir nach unserem Ruhetag die Hauptstadt des Yukon Territory. Wir mühen uns aus dem Yukon Valley, als ich bemerke, daß mein Rad immer noch nicht so läuft wie es sollte. Also zurück ins Tal, am Radlager muß nachgearbeitet werden. Wieder geht es hoch auf das Plateau, wo Juwi auf mich wartet. Er bemerkt sofort, daß mein Radhelm fehlt (Pflicht in Yukon). Spitze, der liegt noch im Fahrradgeschäft... Also noch einmal zurück und wieder hoch aus dem Tal des Yukon. Wir werden doch irgendwann den Absprung von Whitehorse schaffen?!

Ab Haines Junction radeln wir zusammen mit Uli aus Aachen, der zuvor schon mehrere Monate in Vietnam, Indonesien, Australien u.a. mit dem Velo unterwegs war. Gemeinsam sind wir zum Glück stark, denn mit dem nahen Kluane Nationalpark, wartet eine spektakuläre Berglandschaft auf uns, die für ihre besonders hohe Grizzly-Dichte bekannt ist (hier findet sich mit dem Mount Logan 5959m der höchste Gipfel Kanadas). Tatsächlich lässt der erste Grizzly-Bär nicht lange auf sich warten. Anders als bei den deutlich kleineren Schwarzbären ist uns doch etwas unbehaglich als uns der mächtige Genosse aus 50m Entfernung mustert!! Der folgende Zeltplatz ist wegen Bärenproblemen geschlossen, eine andere Alternative bietet zelten auf eigene Gefahr an. Abends hören wir die Bärenpatrouille mehrere Schüsse abfeuern, dank denen der herumstreunende Grizzly zumindest für diese Nacht am Kluane Lake auf Abstand gehalten werden kann.

Spätestens ab dem Kluane Lake (dem grössten und höchstgelegenen See des Yukon) ist es auch vorbei mit halbwegs angenehmen Temperaturen. Nachts hat es kaum über 0°C und tagsüber pendelt sich das Thermometer nahe 10°C ein. Dazu bläst meist ein unfreundlicher Wind aus Norden, der direkt vom Pol zu kommen scheint. Wenn es dann auch noch regnet ist das Glück perfekt. Jetzt muß die lange Radlerhose raus. Ich mache den Anfang, Juwi kapituliert einen Tag später und schiebt auch noch mit Handschuhen nach. Dabei haben wir fast noch Glück, in Beaver Creek dem westlichsten Ort Kanadas und Kältepol Nordamerikas (minus 63°C im Jahr 1947), hatte es eine Woche vor unserer Ankunft bereits stattliche -4°C.

Das Wetterglück kommt zurück als wir kurz darauf die Grenze nach Alaska überqueren. Yes, wir haben es geschafft, wir haben den 49.Staat der USA erreicht. Unsere Gruppe ist mittlerweile auf vier Personen angewachsen. Neu dabei ist Owve aus Mexiko, der es vor allem Uli (s.o.) verdankt, daß er nicht hungrig durch die Wildnis radeln muß. Zusammen erleben wir den ersten schönen Sommertag in Alaska seit Wochen und geniessen einen genialen Sonnenuntergang nahe Northway. Nach der besseren Strassenkreuzung Tok (mit ca. 1500 kaum zu entdeckenden Einwohnern), der erste Ort nach der Grenze, warten jetzt Fairbanks (der nördlichste Punkt der Reise) und der Mount McKinley (der höchste Berg Nordamerikas) als nächste Ziele auf uns.

Datum: 10.08.(Tag 124) - Tachometerstand Juwi: 8881 km / Tachometerstand Rolf: 6764km - davon USA (Juwi) 4760 km / davon USA (Rolf) 2775km - davon Kanada (Juwi) 4127 km / davon Kanada (Rolf) 3989km - Ort: Tok/Alaska (USA)

Kommentare

... so langsam brennend interessieren würde: wie schmeckt denn BÄR eigentlich? Weiter schön aufpassen und dem Grizzly zeigen wo der Bartl den Most holt.

Drückung, Isabel