Drei Länder in drei Tagen

Noch einmal genießen wir die herzliche Gastfreundschaft bei Vroni und Gotthold in vollen Zügen, dann nehmen wir auf dieser Reise vermutlich endgültig Abschied von den Beiden und von der Colonia Witmarsum. Unsere Tage in Brasilien sind gezählt, meine Aufenthaltsgenehmigung läuft angsam ab. Mit einer Riesenträne im Knopfloch fahren wir vom Hof, Witmarsum wird uns fehlen. Wie zu Beginn unserer Tage in Brasilien, schauen wir auch am Ende noch einmal in Vila Velha bei den schönen Sandsteinformationen vorbei. Danach heißt es erst einmal Kilometer machen Richtung Foz. Als ich 1991 die Strecke von Curitiba nach Foz do Iguacu zum ersten mal gefahren bin, ging die Strecke noch durch wildes Hinterland und es war sehr empfehlenswert tagsüber zu fahren, da nachts wiederholt Fernbusse angehalten und die Passagiere komplett ausgeraubt wurden. Zur Erklärung, die Busse in Richtung Foz/Ciudad del Este waren quasi kleine Geldtransporter, da viele Leute mit vollem Geldbeutel in Richtung Paraguay fuhren um dort im großen Stil einzukaufen. Doch das ist Geschichte, heute zahlt der Durchschnittsbrasilianer mit Karte und das Hinterland von Parana ist infrastrukturell bestens erschlossen, hier wird im großen Stil Landwirtschaft betrieben.

Foz do Iguacu empfängt uns mit 35°C und schwüler Hitze (im brasilianischen Sommer steigt das Thermometer hier auch gerne auf 45°C), das nächtliche, heftige Gewitter drückt nur kurzzeitig die Temperaturen. Auf dem örtlichen Zeltplatz steht witzigerweise ein Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen. Zum wiederholten male auf unseren Touren treffen wir auf einen Reisebus der Firma Rotel, der hier auf seine nächsten Gäste wartet. Der Zeltplatz macht auf den ersten Blick einen super Eindruck, schöne Wiese, schöne Bäume und dazu einen Swimmingpool. Auf den zweiten Blick erkennt man aber leider schnell, daß der Platz seine besten Zeiten schon gesehen hat. Die Männertoilette kennt kein Licht und Isabel hat beim ersten Spülgang gleich den Wasserhahn in der Hand. Nur mit Mühe stoppen wir wieder den Wasserdauerstrahl, während unsere Mädels auf der Flucht vor dem etwas verhaltensauffälligen (drei Jahre alten) Campingplatz-Macho sind. Doch wir haben keine Zeit zum mäkeln, zu viele Programmpunkte warten auf Erledigung. Den Anfang machen wir mit den sensationellen Iguacu-Wasserfällen. Auf einer Länge von 2,7km fällt der brasilianisch-argentinische Grenzfluss über 200 Einzelfälle bis zu 82 m in die Tiefe. Das Naturschauspiel ist einmalig und wird noch verschönert durch eine Vielzahl von Tieren, die man sehen kann. Neben den obligatorischen Nasenbären, die frech zwischen den Besuchern herumklettern, beobachten wir Affen, Warane, Tukane und viele andere Vögel und Schmetterlinge. Isabel, Carina und Emely ist das alles noch nicht Kitzel genug und sie fahren mit einem Schnellboot direkt unter die Wasserfälle, ein grandioses Erlebnis.

Sind die Iguacu-Fälle ein ganz besonderes Naturschauspiel, so ist der Itaipu-Staudamm ein technisches Meisterwerk, das am Folgetag unseren Besuch verdient. Hier nur ein paar Daten: die Gesamtleistung der 20 Turbinen beträgt 14.000 Megawatt, die Jahresleistung liegt bei fast 100 Terrawattstunden. Damit ist Itaipu, von der Leistung her betrachtet, weltweit Spitzenreiter bei Wasserkraftwerken und liegt auch weit vor allen Atomkraftwerken. Zum Vergleich, das Rekordkraftwerk Isar 2 kommt gerade mal auf ca. 12 Terrawattstunden/Jahr. Der fast 8km lange und bis knapp 200m hohe Damm verbindet die beiden betreibenden Länder Paraguay und Brasilien. Paraguay deckt durch Itaipu Binacional 75%, Brasilien etwas über 15% seines gesamten Strombedarfs. So weit so schön, nicht unerwähnt sollte aber auch bleiben, daß durch den Stausee, der zweimal die Fläche des Bodensees bedeckt viel Regenwald abgeholzt wurde und etwa 40.000 Menschen, vor allem Guarani(-Indianer) umgesiedelt werden mussten. Nicht zu vergessen, mit dem Stausee verschwanden auch Wasserfälle, die den Iguacu-Fällen in ihrer Mächtigkeit kaum nachstanden.

Natur erlebt, Technik bewundert, jetzt könnte man mal wieder Shoppen gehen. Also ab nach Paraguay! Während Foz vom kleinen Provinzkaff durch Tourismus und Kraftwerk immerhin auf 250.000 Einwohner angewachsen ist, verlief die Entwicklung in Ciudad del Este/Paraguay noch dynamischer. Erst 1957 gegründet, wohnen heute schon über 300.000 Menschen dort und jeden Tag verwandelt sich die Hauptstraße in einen riesigen Bazar, während die Brücke nach Brasilien fast unter dem Ansturm der Shopping-Touristen zusammenbricht. Paraguay ist bei technischen Markenartikel deutlich günstiger als sein großer Nachbar Brasilien, was Kaufwütige aus ganz Südbrasilien anzieht. Wir haben schnell genug vom Rummel und fahren wieder zurück nach Foz um dort zur Entspannung den durchaus sehenswerten Vogelpark zu besuchen.

Dann sind unsere Tage in Foz und vor allem die Tage von Carina und Emely in Brasilien gezählt. Zum Abschluss gehen wir noch gemeinsam lecker in einer Churrasceria essen. Für relativ kleines Geld kann man sich hier frei am Büffet bedienen und die fleißigen Ober stehen ständig mit neuen Fleischspießen am Tisch und servieren Grillfleisch, aber auch gegrillte und mit Zimt überzogene Ananas in rauen Mengen. Ein fürstliches Abschiedsessen für unsere beiden Gäste. Am nächsten Tag liegen wir uns dann zum letzten male in den Armen. Wir wünschen ihnen einen guten Flug und bedanken uns für die gelungene Mitreise. Während die Beiden dann auf ihren Flieger nach Rio warten, sitzen wir schon wieder mit etwas Wehmut im blauen Schlumpf und zuckeln Richtung Argentinien. Drei Länder in drei Tagen! Was sich nach einem gewaltigen Programm anhört ist nur mit geringer Fahrerei verbunden, denn Foz do Iguacu liegt im Dreiländereck Brasilien/Argentinien/Paraguay und alle beschriebenen Sehenswürdigkeiten könnte man auch locker mit dem Fahrrad besuchen.

Der Grenzübertritt erfordert wegen dem Fahrzeug etwas Papierkram ist aber relativ stressfrei, spannender wird dann schon die Suche nach dem Campingplatz. Der zuerst angesteuerte Platz existiert nicht mehr, der zweite Platz strapaziert bei der Anfahrt unsere Nerven. Wir fühlen uns wie bei Paris-Roubaix, über übelstes Kopfsteinpflaster quälen wir uns zum Eingang. Wäre dort kein Hinweisschild angebracht, wären wir sofort wieder umgedreht. Eine völlig ausgewaschene und miserable Piste dann zu einem schmucklosen Parkplatz aus Roterde, auf dem zu unserer Überraschung schon ein anderes Reisemobil aus Europa steht. Die halbwegs schönen Wiesenplätze sind alle abgesperrt. Naja, gleich wieder gehen oder dem Platz noch eine Chance geben. Während wir noch überlegen tritt auf einmal die argentinische Kopie von Rainer Langhans aus dem Wald. Willkommen in seiner Version der Kommune 1. Wir seien herzlich eingeladen sein kleines Paradies für ein paar Tage mit ihm zu teilen. Innerlich sträuben sich mir die Nackenhaare, doch ich lasse mich überreden den ganzen Platz anzuschauen. Und während mich der Zeltplatz in Foz auf den zweiten Blick ziemlich enttäuscht hat, bin ich jetzt regelrecht entzückt, als wir eine Führung durch seine kleine Urwaldwelt bekommen. Abgesehen vom Eingangsbereich ist der Urwaldcamping wirklich erste Sahne.

Datum: 11.09.2014(Tag 120) - Tachometerstand: 240 941km - gefahrene Kilometer: 9901km / davon Europa 610km / Südamerika 9291km - Ort: Puerto Iguazu (Argentinien)