Baltikum wir kommen

Good bye finnische Seenidylle. Noch schnell an den weit über 100m werfenden Frisbeegolfern vorbei und rein nach Helsinki an das moderne West-Terminal. Vor der Abfahrt mit Tallink habe ich noch etwas Zeit um unter anderem am Clarion-Hotel mit seinem neckischen Glasbodenpool vorbeizuschauen. Die Einschiffung ist easy organisiert und kaum drei Stunden später stehe ich am "Spar"-Camping von Tallinn. Der Platz ist nicht viel mehr als ein großer Parkplatz und lärmig Tag und Nacht, aber für eine tolle Stadt muss ja man vielleicht auch einmal etwas bluten und außerdem brauche ich ja einen flugplatznahen Standort um Isabel und Ellie zu empfangen. Zudem, es zählt ja der olympische Gedanke, "Dabeisein ist alles", denn der Camping liegt direkt am Yachthafen, der wiederum Wettbewerbsstätte der Moskauer Olympiade von 1980 war (bekanntlich seinerzeit boykottiert von den westlichen Nationen wegen dem russischen Einmarsch in Afghanistan).

Tallinn wird seinem positiven Ruf gerecht, eine moderne Stadt mit wunderschönem alten Zentrum, das herrlich zum Bummeln und Verweilen einlädt. Auch Estland macht einen sehr properen Eindruck. Das kleinste baltische Land hat nach seiner bewegten Geschichte und der Unabhängigkeit 1991 (von der Sowjetunion) eine rasante Entwicklung genommen. Estland setzt auf Digitalisierung (kaum eine Tankstelle ist noch mit einer Person besetzt, zudem soll der kleine Staat prozentual die höchste Internetanschlussdichte pro Kopf haben) und pragmatische Lösungen. Im innerörtlichen öffentlichen Verkehr in Tallinn zahlt der Gast grundsätzlich 2,-€ (und muss sich nicht durch hunderte von Tarifzonen durchwühlen wie in vielen deutschen Städten) und die Einheimischen fahren gratis (ihr Beitrag wird steuerlich abgegolten).

Tallinn boah super, Mondfinsternis boah super. Zuerst sehen wir gar nichts von dem Naturwunder und wollen schon beleidigt abziehen. Da entdeckt Ellie mit ihren scharfen Augen, den logischerweise (da vollständig verfinstert) kaum zu sehenden Mond. Zu uns Hobbyastronomen gesellen sich noch ein paar weitere Mondfans und wir dürfen schönerweise unseren Kamerakorpus auch kurz mal auf das 6000,-€-Objektiv des estnischen Fotoprofis schrauben. Besonders der Übergang von der vollständigen zur teilweisen Mondfinsternis ist bei besten Sichtverhältnissen ein echtes Erlebnis, auch wenn es vom einen oder anderen Teilnehmer der Gruppe verschlafen wird.

Von Tallinn geht es über gute Straßen zum Lahemaa-Nationalpark, dem ersten Nationalpark (1971) der Sowjetunion. Hier soll es Elche, Luchs, Wölfe und sogar Bären geben. Doch mal wieder sorgen nicht die großen Tiere für die Probleme, geschweige denn sehen wir einen der Gesellen, sondern es sind mal wieder die kleinen Tiere die für große Sorgen sorgen. Ellie wird kaum nach Ankunft an einem schönen Strand von einer Wespe gestochen. Sie schwillt zwar zum Glück nicht so an wie HeMan Scotty (siehe Scotty in Russland), aber der Campingfrieden ist erst einmal schwer gefährdet.

Ellie macht ihren Frieden mit dem Nationalpark erst als wir ins idyllische Käsmu weiterziehen, wo wir auf einem Zeltplatz eine sehr nette Familie aus Dresden kennenlernen. Außer Kennenlernen bleibt auch noch etwas Zeit für körperliche Ertüchtigung. Der Nationalpark lädt ein zum Wandern und natürlich auch zum Baden. Temperaturen von deutlich über 20°C wie wir sie noch im seichten Ostseewasser von Tallinn kennengelernt hatten sind aber Geschichte. Vielleicht liegt es an dem windigen Wetter der letzten Tage auf jeden Fall hat das Wasser im nahen Vösmu, einem weiteren schönen Ort im Nationalpark, nur bescheidene 11°C wie uns ein passionierter Kaltbader mitteilt. Tatsächlich ist die Ostsee hier arschekalt, aber geordnet frieren und atmen soll ja gesund sein. Denn ich lese ja gerade das Buch von Gesundheitsguru Wim Hoof, der bekanntlich voll auf Kälteerfahrungen setzt und schon mal Oberkörperfrei im Winter auf die Schneekoppe klettert. Witzigerweise schwärmt mir auch der Kaltbadefreund von 365 Tage Baden im Jahr vor. Früher wäre er immer krank gewesen, jetzt ist er nie mehr krank und immer gut drauf (was ich zumindest für heute betsätigen kann). Und auf wen schwört der Kollege? Natürlich auf Wim. Bis vor kurzem war mir der frierende Holländer gänzlich unbekannt und jetzt treffe ich gleich nach der Buchlektüre sogar noch einen Gesinnungsgenossen beim gemeinsamen Bad in Vösu.

Datum: 29.07.2018 (Tag 36) - Tachometerstand: 321065 km - gefahrene Kilometer: 5088 km / davon Russland 2095 km - Ort: Käsmu (Estland)