Von Est- nach Lett-land und Litauen

Vom Lahemaa-Nationalpark bummeln wir gemütlich Richtung Süden. Estland hat eine gute Infrastruktur mit meist gut ausgebauten Straßen, die angenehm leer sind. Bei der geringen Bevölkerungsdichte (Deutschland ist 8x dichter besiedelt) überrascht der geringe Verkehr nicht unbedingt, beim Autofahren macht es aber einfach nur Spaß und spart Nerven. In Pärnu (Pernau) stoßen wir wieder auf die Ostsee. Das Seebad ist Estlands Sommerhauptstadt und trotz reichlich Tourismus wie so viele andere Orte des Landes angenehm entspannt.

Wir folgen der Küste und sind überrascht wie oft und wie viele andere deutsche Camper wir sehen. Südlich von Pärnu kreuzen wir die Grenze nach Lettland, dann schauen wir bei Münchhausen vorbei, der hier wohl des desöfteren in Dunte zu Besuch war. Anschließend geht es ins Landesinnere in den Gauja-Nationalpark und dort zuerst nach Cesis. Wer gerne in den Bergen ist, der wird wenig beeindruckt sein von dem größten Nationalpark des Landes und dem Fluss Gauja, die sich an ihrer tiefsten Stelle kaum 100m in die umgebenden Landschaft gräbt. In der vor allem ebenen baltischen Landschaft sticht diese Geografie aber schon hervor und so finden sich beispielsweise im gerade mal auf 98m (über NN) liegenden Sigulda Skisprungschanzen, Bob- und Rodelbahnen und wie selbstverständlich Skipisten, die von Sigulda ans Ufer der Gauja führen. Auch wir sind vom Nationalpark nicht beeindruckt aber angetan von den vielen Wanderwegen, Freizeitangeboten, der gefälligen Landschaft und dem schönen Fluss, der bei der großen Hitze (am 31.07. werden im nahen Riga der heißeste Tag seit 120 Jahren gemessen) immer wieder zum Baden einlädt. Neben Baden, Wandern und Klettern schauen wir auch noch im örtlichen Kamelpark vorbei, der überraschend kurzweilig ist. Leider kann ich dabei nicht ausreichend zwischen zwei konkurrierenden Lamas vermitteln und bekomme eine Ladung übel riechenden Speichel ab.

Wir bleiben dem Rhythmus Kultur-Natur-Kultur treu und düsen aus dem Nationalpark in die größte baltische Metropole, Riga. Nach vielen schönen Städten hat Riga, vor allem bei der Hitze, einen schweren Stand. Nachdem der Start in die City dann auch noch etwas holprig verläuft - als wir aus unserem Hotel kommen steht auf dem gegenüberliegenden Gehweg ein Mann mit blutigem Kopf und schreit nach Polizei - tun wir uns etwas schwer mit lettischen Hauptstadt. Doch die Ordnungshüter sind schnell zur Stelle, wenngleich ich kaum irgendwo auf der Welt ein kleineres Polizeiauto gesehen habe (teilweise fährt die Polizei in Riga Fiat Seicento oder ein ähnliches Mickermodell). Zudem bekommen wir schönerweise im Hotel die Luxus-Suite, da die Damen an der Rezeption unsere Reservierung verbummelt haben und "leider" nur noch diese Suite frei war.

Rigas unter UNESCO-Schutz stehende Altstadt ist gefällig, aber doch in Teilen durch diverse Kitsch-, Ramsch- und Souvenirstände zugestellt (Prag lässt grüßen). Lässiger finden wir da schon den riesigen und supercoolen Fitness-, Spiel- und Skaterpark nahe an unserem Hotel. Das ist genau das Richtige für unsere kleine Skaterin Ellie, die mit dem in Riga erworbenen Board jetzt auch zum erlauchten Kreis der "übelst hippen" Skateboarder gehört. Cool auch, dass neben uns im Hotel die russische U-18-Nationalmannschaft, die in Lettland an der Europameisterschaft teilnimmt, übernachtet. Mit so viel Coolness am Start können wir dann auch ganz kul von Riga nach Kuldiga cruisen. Cooldiga bzw. Kuldiga wird seinem Namen vollauf gerecht. Der laut Reiseführer etwas pseudomäßigen Rekord "breiteste Stromschnelle/"Wasserfall" Europas" haut uns nicht gerade vom Hocker, aber die gekonnte Mischung aus Natur/Sport mit Baden im Fluss und Kultur mit der dezent renovierten Altstadt gefällt uns auf Anhieb.

Ehe wir uns versehen haben, sind wir aber schon wieder raus aus Lettland. Nach einer letzten Übernachtung auf einem wunderschönen Camping in Lettland, vis-a-vis mit einem WoMo aus Stuttgart-Zuffenhausen, geht es nach Litauen und dort auf die wunderschöne, aber auch überlaufene, Kuhrische Nehrung. Kurz vor der Grenze zur Russland (Kaliningrad/ehemals Königsberg ist als Exklave getrennt durch Litauen und Lettland bzw. Weißrussland vom russischen Staatsgebiet) beziehen wir Station in Nida. Der Ort und vor allem der Campingplatz ist zur Hauptreisezeit voll mit Touristen, aber die Landschaft und die wilde Ostsee entschädigen für alles. Nur gut, dass wir den auch hier sehr trockenen und feuergefährdeten Wald nicht abfackeln. Unser Leberkäse und vor allem die zugehörige Pfanne gehen mitten auf dem Zeltplatz in Flammen auf. Wichtig, dass ich beim Löschkurs in Finnland (siehe - Helsinki) gut aufgepasst habe und die Gefahr einigermaßen souverän im Keim ersticke.

Unserem straffen Reiseplan, aber vor allem auch dem vollen Camping geschuldet, geht es rasch weiter in Litauen. Auf der Autobahn nach Kaunas ist am Sonntagabend gut Verkehr, aber niemand hält nahe Klapeida für den auf dem Standstreifen wild winkenden Pannenfahrer an. Was sind die Litauer doch hartleibig, höchste Zeit, dass der deutsche Gutmensch übernimmt. Ich haue die Bremse rein und schon kommt der arme Mann gesprungen. Kaum am Wagen angekommen hängt er mir schon fast im Auto, "..Weg nach Warschau, Sprit aus, Geld aus, aber Goldring..." Er hält mir einen dicken Goldring unter die Nase, den er mir gern gegen harte Euros eintauschen würde. Bei mir setzt schon die Goldgier ein und ich wittere das Geschäft meines Lebens, aber irgendwie wirkt die ganze Show doch etwas einstudiert und ich kann mich grau an unsere Reise in die Ukraine 2012 (siehe - Kolomyya 2012) erinnern als unser freundlicher Gastgeber in Kolomyya vor dem Goldringtrick gewarnt hat. Als salomonische Lösung, ganz kann ich die Jungs ja auch nicht hängen lassen (vielleicht haben sie ja auch eine echte Notlage?!) fällt mir ein, dass ich statt Geld ja auch etwas Sprit anbieten kann. Der gute Goldringbesitzer ist zuerst mit meinen 5 Litern "Billigdiesel" nicht zufrieden, er benötige eigentlich AdBlue-DieselSuperPlus oder so etwas ähnliches, doch als ich "knallhart" zum Ausdruck bringe, es gibt nur "Diesel oder nichts" schnappt er sich schnell unseren Kanister. Zum Abschied gibt es auch noch tausend gute Wünsche, dann fahren wir mit einem verwirrten Gefühl weiter. Ich denke, hätte er mir einen Silberring angeboten, dann wäre ich vermutlich weich geworden. Mit meinen zunehmend langen Haaren scheint auch meine Gehirnleistung nachzulassen, höchste Zeit den Rasierer zu aktivieren. Am gleichen Abend nahe Siauliai, auf einem wieder einmal sehr schönen Zeltplatz, kommt Isabel dieser Aufgabe nach.

Datum: 05.08.2018 (Tag 43) - Tachometerstand: 322223 km - gefahrene Kilometer: 6246 km / davon Russland 2095 km - Ort: Siauliai (Litauen)

Reisen: