Heimpiel in Kolomyya

Wir sind im Viertelfinale und während HaPe, Hendrik und Michel nach einem Ruhetag weiter nach Danzig pilgern ist für mich das Abenteuer EM 2012 fast schon zu Ende. Ich unterstütze mit tausenden von ukrainischen Fans in der Fanmeile von Lviv das einheimische Team bei ihrer unglücklichen Niederlage gegen England. Der zweite Gastgeber ist leider ausgeschieden. Da zudem das Spiel der Deutschen gegen Dänemark das letzte Spiel in Lviv/Lemberg war, wird in der Stadt ziemlich schnell wieder auf Alltag umgestellt. Das Studentenwohnheim, wo neben uns vor kurzem noch hunderte von Fans übernachteten, geht in den Normalbetrieb über. Zuerst fehlen die Sitzgelegenheiten, dann hat sich der eben noch gut mit Bier und anderen lebenswichtigen Dingen gefüllte Kiosk im Wohnheim in Luft aufgelöst und am letzten Tag stehe ich ziemlich perplex halbnackt vor 10:00Uhr den Putzfrauen gegenüber, die mein Zimmer stürmen. Die hinterlegten 10,-Euro Sicherheit für den Schlüssel kann ich mir auch abschmatzen, denn eine Rezeption existiert schon lange nicht mehr und das Reinigungsteam hat für die Sorgen des letzten EM-Gastes keine Zeit.

Der Rauswurf auf Raten macht mir den Abschied etwas leichter, denn Lemberg ist wirklich eine sehenswerte Stadt, die mir Tag für Tag besser gefallen hat. Gerne wäre ich noch ein paar Tage geblieben. Doch jetzt warten bereits neue Pläne. Ich schaue kurz noch beim höchst interessanten Friedhof der Stadt vorbei, dann geht es zum supermodernen Flughafen der Stadt. Isabel und Ellie sind im Anflug, da gilt es pünktlich die Beiden in Empfang zu nehmen. Freudig ist das Wiedersehen, dann fahren wir als kleine Einstimmung gleich mal zum EM-Stadion. Witzigerweise sind die Parkplätze südlich des Fußballstadions alle nicht asphaltiert (mal sehen, ob hier überhaupt mal die Asphaltierung erfolgt). Es gibt sie also doch, die vielbeschworene unfertige Infrastruktur bei dieser EM. Bevor sich die zahlreichen Euro-Skeptiker jetzt aber in die Brust werfen, von meiner Seite bekommen die Gastgeber sehr gute Noten. Meines Erachtens ist die Euro eine sehr gelungene Veranstaltung, vor allem aus Fan-Sicht gesehen.

Nach der Tour zum unfertigen Parkplatz fahren wir weiter zum einzigen Platz der Stadt, der in etwa den Titel Campingplatz verdient. Offiziell war der Platz bis zum Auscheiden der Dänen das offizielle dänische Fancamp. Als letztes Erinnerungsstück daran findet sich direkt neben unserem Nachtlager ein noch nicht abgebautes Bierzelt. Mit den Dänen ist aber auch die EM-Stimmung abgereist. Auf unserer Nachfrage hin, ob wir das Spel Portugal gegen Tschechien schauen können, heißt es nur während der EM haben sie alle Spiele am Zeltplatz gezeigt, "nach" der EM macht das Restaurant jetzt immer 21:00Uhr (ukrainischer Zeit) zu. Um für das deutsche Spiel nicht in die Röhre zu schauen beschließen wir also einen Tag eher weiterzureisen.

Das Wetter ist schlecht, kein Mensch südlich von Lviv scheint nur einen Brocken englisch zu sprechen. Der Tankwart nahe Ivanvo Frankivsk scheint von einem Lächeln weiter entfernt als vom Mond und den Ort Kolomyya deutet er mir nachdrücklich an nicht zu kennen, obwohl der kaum 50km entfernt liegt und 70 000 Einwohner haben soll. Er signalisiert mir relativ deutlich, daß für mich der Abgang leuchtet. Als uns kurz darauf mehrfach finster aussehende Autofahrer aggressivst auffordern anzuhalten (wir fahren natürlich panisch weiter) ist der bisher gute Eindruck der Ukraine wie weggewischt. Welche Wohltat, daß uns wenig später Witali in der Pension "On Corner" in Kolomyya auf deutsch begrüßt und uns superherzlich empfängt. Weitere sehr angenehme Gäste und der Biergarten gegenüber, der für eine gezapfte Halbe den Fabelpreis von nicht einmal 0,50Euro verlangt lassen uns kurz danach schon wieder auf der ukrainischen Wolke Sieben schweben. Nachts gewinnt dann Deutschland souverän 4:2 gegen Griechenland und am nächsten Tag wartet der interessante Besuch des Marktes im Karpatendorf Kosiv; Reiseherz was willst Du mehr?!

Datum: 23.06.(Tag 20) - Tachometerstand: 272 708km - gefahrene Kilometer: 2971km - Ort: Kolomyya (Ukraine)

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