Eins, zwei, drei und schon vorbei (der WM-Traum)

Wir besuchen das wunderschöne unter UNESCO-Schutz stehende Zentrum von Krakau. Wie in den Jahren zuvor (siehe Krakau 2009 und Krakau 2012) sind wir angetan von der reizenden Altstadt und der über der Weichsel thronenden Burg. Einzig das Wetter macht nicht so richtig mit. Seit der Abfahrt aus Deutschland begleiten uns ständig nasskalte und windige Verhältnisse. Das soll unsere Stimmung nicht trüben. Heute mittag schießen wir die Koreaner aus dem Stadion und dann geht es zügig Richtung Samara zum Viertelfinale. Wir suchen uns im Jüdischen Viertel eine nette Bar mit TV und erwarten zusammen mit einem Norweger gespannt den Anpfiff. Wobei der Norweger besonders angespannt ist. Mir fehlt wie dem deutschen Team die Körperspannung, auch ich gehe viel zu locker in das Match. Das Spiel ist bekanntermaßen unterirdisch und auch wir können trotz später, aber maximaler Unterstützung (vor allem von norwegischer Seite) das Spiel nicht umbiegen. Deutschland ist ausgeschieden in der Vorrunde, was für eine Pleite.

Die Abendstimmung ist im Eimer, die Nacht im Dauerregen ist im Eimer, das Frühstück im Nieselregen am kommenden Morgen ist im Eimer. Vielleicht ganz gut, dass wir weiterfahren müssen und uns mit der ukrainischen Grenze eine leicht unangenehme Aufgabe erwartet, die uns vom Trübsal blasen ablenkt. Der Grenzübertritt ist nicht superzäh, aber doch etwas mühsam und wir verpassen prompt den Zollstempel für das Fahrzeug einzuholen. Am letzten Schlagbaum (vor der Freiheit) werden wir eingesammelt und müssen zurück auf Start. Jetzt wird es mühsam mit fehlenden Ukrainisch- und Russisch-Kenntnissen. Zur "Strafe"? muss ich in die Untiefen des nach altem Sowjetmief riechenden Grenzgebäudes absteigen und Kopien von Pass und Fahrzeugschein einsammeln.

Eine halbe Stunde später sind wir unter dem Schlagbaum durch und bekommen schnell wieder vor Augen geführt, dass zwischen dem EU-unterstützen Polen und dem durch Bodenschätze reich gewordenen Russland die Ukraine etwas auf der Strecke geblieben ist. Korruption und Mißwirtschaft hinterlassen deutliche Spuren in einer z.T. miserablen Infrastruktur. So rückständig schlaglochübersäte Straßen und unbefestigte Matschpisten auch wirken, so viel mehr Charme hat aber auch eine Kulturlandschaft, die nicht von Flurbereinigung und überall versiegelter Fläche geprägt ist. Schon auf den ersten Kilometer kommen uns die Kühe auf der Straße entgegen und von vielen Strommasten grüßen uns die brütenden Störche.

Die erste große Stadt auf der Strecke, Lemberg (Lwiw), ist ein Spiegelbild der Ukraine. Miserablsten Straßen und schaurigen Plattenbauten steht eine wunderschöne Altstadt entgegen, die nicht entfernt so verkitscht ist wie Prag oder Krakau. Schon vor knapp zehn Jahren schreibt der Lonely Planet, dass Lemberg das "next big thing" sei und man es schnell besuchen solle, bevor der große Tourismus die Stadt entdeckt. Die Stadt ist voll, sogar übervoll und vibriert wegen dem laufenden Jazzfestival. Doch westliche Touristen finden sich fast keine. Wie vor Jahren während der EURO 2012 genießen wir die Atmosphäre und bewundern die unzähligen originellen Kneipen und Dachterrassen. Von der unruhigen politischen Situation in der Ostukraine ist hier nichts zu spüren.

Abends geht es zurück in unser Hotel am Stadtrand. Passend zur zerschossenen Straße fordert unser Taxifahrer eine Erschwerniszulage. In der Nacht kracht dann ein Gewitter über Lemberg herein, dass uns Hören und Sehen vergeht. Zweimal schrecken wir aus dem Schlaf auf, es donnert furchterregend, die Blitze müssen im Umkreis von 100m eingeschlagen haben. Die Regenfront nehmen wir dann am kommenden Tag auch mit nach Kiew. Auf der langen Fahrt begleitet uns trübes Schauerwetter. Dennoch erreichen wir rechtzeitig das Zentrum von Kiew. Schnell die Innenstadt checken, bevor wir uns auf den Weg zum Flughafen machen um den ankommenden Scottybuoy einzusammeln.

Datum: 29.06.2018 (Tag 6) - Tachometerstand: 318.018 km - gefahrene Kilometer: 2041 km / davon Russland 0 km - Ort: Kiew (Ukraine)

Reisen: