Wiedersehen am Mittelmeer

Auf das hektische Venedig folgt das entspannte Ljubljana. Die Hauptstadt Sloweniens hat in den letzten Jahren enorm aufgeamselt und es lässt sich bewundern, wie man mit gelungener Stadtplanung ein attraktives Zentrum aufbauen kann. Fand ich beim letzten Besuch vor 15 Jahren die Stadt relativ enttäuschend und langweilig. So bin ich jetzt, sicherlich auch unterstützt durch den warmen Herbstabend, der Leben in die Stadt trägt, angetan von den vielen netten und gemütlichen Ecken, Cafes und Biergärten. Besonders cool ist natürlich auch unsere Absteige, das Hostel Celica, ein ehemaliges Gefängnis mitten im autonomen Zentrum von Ljubljana gelegen. Personen sollte man im alternativen Viertel laut Verbotsschild nicht fotografieren, aber entspannt hier abhängen und die zahlreichen Graffitis ablichten stört niemand.

In Ljubljana heißt es Abschied nehmen von Birne. Mit ihm war super reisen, doch jetzt geht es für ihn mit dem Zug zurück nach Deutschland während ich mich ans Kilometer fressen mache. In drei Tagen sollte ich schon an der türkischen Südküste in Manavgat nahe Antalya sein. Früh morgens geht es im Nebel auf die slowenische Autobahn und bis tief in Kroatien sehe ich die Sonne nicht. Bei wenig Verkehr kann man herrlich die Gedanken schweifen lassen und ich erinnere mich mit einem Schmunzeln auf den Lippen an selige Bandzeiten, als wir 2004 die identische Strecke Richtung Kroatien abgerissen haben um in Ossijek die Show zu rocken. Auch damals war ich der Fahrer, doch von Fahren konnte oft nicht die Rede sein, da wir fast jede kroatische Raststätte im Wechsel Bier-Einkaufsstopp - Pinkelpause - Bier-Einkaufsstopp - Pinkelpause usw. ansteuern mussten. Belohnt wurde meine nicht immer ganz einfache Husarenfahrt damals schönerweise mit der Übernachtung im offiziellen Gästehaus der Stadt, einer ehemaligen Tito-Villa.

Doch 2004 war 2004, jetzt sind wir in 2022 und es heißt vor allem mal weiterfahren. Hatte ich von früheren Balkan-Reisen vor allem die Monte-Negriner in spezieller Erinnerung, so fällt mir jetzt auf, dass auch die Serben für manche Überraschung im Straßenverkehr gut sind. Da ist dann schon mal der eine oder andere Fußgänger auf der Autobahn, auf dem Abbiegestreifen wird geparkt und die Baustellen mit direktem Gegenverkehr fordern meine volle Konzentration, gerade bei Nacht. Einmal steht eine Warnbakke mitten auf der Spur, zudem fahren viele Verkehrsteilnehmer scheinbar permanent mit Fernlicht oder sie haben zumindest die am schlechtesten eingestellten Scheinwerfer auf der ganzen Welt. Kurz vor Nis habe ich deshalb genug. In einer Baustelle mit Soll 60 werde ich bei Tempo 90 rechts über den Standstreifen überholt. Zeit, dass ich Nachtruhe mache und die Straße den Checkern überlasse.

Sorgt bei Belgrad die halbfertige Umfahrung noch für viel Chaos, so ist die Autobahn von Nis zur bulgarischen Grenze mittlerweile fertig und topp in Schuss. Bulgarien kann da noch nicht ganz mithalten. Baustellen, Flüsterasphalt und fast knietiefe Spurrillen sorgen für einen interessanten MIx. Doch ich komme gut voran und lasse mich auch von der Feuerwehr nicht stören, die direkt von der Autobahn aus einen kleinen Brand löscht. Überall hier werden im Herbst die Felder abgefackellt. In diesem Fall hat sich der Brand ungewollt etwas ausgeweitet.

Wer viel fährt braucht regelmäßig energy. Das treue Bussle bekommt Diesel und ist dabei trotz des Dachzelts als großem Windfang erstaunlich bescheiden. Es benötigt weniger als 8l auf 100km. Ich gönne mir Red Bull und schleppe gleich mal meine leeren Büchsen vom letzten Stopp in die Tanke. Vielleicht kann ich den netten Bulgarinnen auch etwas Pfand abluchsen. Schon ist Diesel und Bull gezahlt, das lief ja super. Ich wundere mich nur beim verabschieden, warum mich sie mich so fragend wegen den leeren Büchsen anschaut. Im Auto checke ich noch schnell den Kassenbon, wie viel Pfand habe ich verdient? Von wegen verdient!!! Sie hat mir nicht nur die neue Büchse, sondern auch meine alten Büchsen aus Slowenien angerechnet. Das kann ja wohl nicht sein. Schnell nochmal rein und das deutsche Pfandsystem erklären. Aber für eine Auflösung des Sachverhalts reicht das Englisch der Kassendamen, geschweige denn mein bulgarisch nicht aus. Da habe ich mal unnötig Geld liegen lassen. Wie konnte ich auch nur so naiv sein zu meinen, dass die Tanke mir meine leeren Büchsen vergolden möchte.

An der bulgarisch-türkischen Grenze holt mich das alte Supermarktproblem ein, nämlich dass man sich immer an der falschen Schlange anstellt. Der türkische Zollbeamte bearbeitet meine Papiere denkbar langsam und der Kollege, der für das Gepäck zuständig ist, meint ein Exemple statuieren zu müssen. Etliche windige Figuren, dürfen hier unkontrolliert durch, aber ich soll meinen Tisch und die Stühle auspacken, der Wassersack und etliche andere Dinge werden gecheckt und als Krönung soll ich auch noch das Dachzelt aufbauen. Irgendwann wird es ihm dann aber auch langweilig, ich darf abrücken. Zu spät sehe ich beim Weiterfahren, dass auf dem Riesenhof auch noch ein weiteres deutsches Feuerwehrfahrzeug steht. Das wäre natürlich ein Riesenhallo geworden an der Grenze. Jetzt möchte ich aber keine Ehrenrunden mehr drehen und den nächsten Beamten mißtrauisch machen. Ich habe schon zu viel Zeit verloren.

Die Mega-City Istanbul möchte ich auf der neuen Ringstraße und der Yavuz-Sultan-Selim-Brücke, der mittlerweile dritten Bosporusbrücke, umfahren. Die Fahrt durch die Stadt möchte ich mir nicht geben. Laut Wikipedia hat Istanbul die zweitgrößte Verkehrsdichte weltweit und von anderen Reisen kenne ich das stressige Fahren in der Stadt nur noch zu gut. Über die Ringautobahn und das top-funktionierende Maut-System komme ich gut voran, dann ist aber erstmal Stopp wegen einem massiven Unfall. Überall liegen Trümmerteile und ich kann gar nicht übersehen, wie viele Fahrzeuge hier beteiligt waren. Als der Verkehr weiterrollt überholt mich gleich wieder rechts ein LKW mit überhöhter Geschwindigkeit. Bei manchen Verkehrsteilnehmern ist die Lernkurve leider verdammt flach.

Es geht noch über die Riesenbrücke bei Gebze, dann liegt istanbul hinter mir. Das Bussle schnurrt mich nach einem nächtlichen Stopp in der Stadt souverän Richtung Süden. Bei Isparta sammle ich noch zwei Theater-Enthusiasten auf dem Weg zur Probe ein, dann bin ich aber auch schon schmerzfrei durch die Türkei gerollt. Ca. 2300km nach Ljubljana erreiche ich Manavgat in Zeit, noch vor meiner Familie, die mit dem Urlaubsflieger aus Deutschland einschwebt. Jetzt stehen erstmal ein paar Tage herrliches Ausspannen mit der Familie und mit meiner Schwester und Familie auf dem Programm.

Datum: 29.10.2022 (Tag 12) - Tachometerstand: 167.498 km - gefahrene Kilometer: 3453 km (davon Asien: 758 km) - Ort: Manavgat (Türkei)

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