UNESCO-Welterbe mit kleinem Happy End

Der Aufenthalt In San Julian wird gerettet durch den lokalen Rummelplatz, der Ellie jeden Abend in Hochstimmung versetzt. Sonst bietet der kleine Ort, passend zur Umgebung, nicht viel. Die patagonische Steppe und die menschenleere Atlantikküste ist bemerkenswert tröge. Von Puerto San Julian bis zur nächsten Stadt Caleta Olivia warten wieder über 300 einsame Straßenkilometer, die an Langeweile kaum zu überbieten sind. Doch es gilt am Steuer trotzdem aufmerksam zu bleiben, denn der Wind möchte einen gern von der Straße schieben. Zudem ist der Asphalt gespickt mit Unfallopfern, z.T. liegen im Abstand von 50m die Hasen-, Nandu- oder selten auch Guanako-Kadaver. Und das kommt nicht von ungefähr, überall an der Straße stehen Tiere und laufen oft unkontrolliert auf die Fahrbahn.

Caleta Olivia macht uns nicht richtig an, also rollen wir noch weiter bis kurz vor Comodoro Rivadavia. Rada Tilly heißt der reiche Vorort mit der beeindruckenden Uferpromenade. Comodoro ist das Erdölzentrum des Landes und ein guter Teil der Gewinne scheint nach Rada Tilly abzufließen. In der oben beschriebenen Einöde hätte ich nicht erwartet so piekfeine Strandbars, die auch die Cote d'Azur schmücken würden, zu finden. Während unseres Aufenthaltes wird dann auch noch eine neue Skateranlage eingeweiht, sodass es einiges zu sehen gibt und Ellie wieder voll in ihrem Element ist. Begeistert von dem kleinen Strandort, der mir zuvor gar nicht geläufig war, checke ich das Internet und finde einen bemerkenswerten Superlativ, Rada Tilly soll der "südlichste voll ausgebaute Badeort der Welt" sein. Naja, bitte nicht nachfragen, was "voll ausgebaut" bedeutet. Auch zum nahen Comodoro Rivadavia finden sich einige interessante Einträge. So nennen ihre Bewohner sie liebevoll "Hauptstadt des Windes" und Windgeschwindigkeiten von 250km/h sollen bei Stürmen keine Seltenheit sein, sodass beim Bau der Hochhäuser im Stadtzentrum besondere Umstände berücksichtigt werden müssen. Als wir uns am kommenden Tag wieder auf die Fahrt durch etwa 350km Niemandsland machen, fegt der Wind mit Böen von Windstärke 9 durch die Gassen und wir sind froh die unwirtlichen Verhältnisse zu verlassen. Da ist es richtig wohltuend bei Trelew nach langer Fahrt endlich wieder einmal saftig grüne Wiesen im Tal des Rio Chubut zu sehen und Windverhältnisse zu spüren, mit denen man umgehen kann.

Auch Puerto Madryn liegt genau genommen in einer steppenhaften Wüstenlandschaft, doch die weite Bucht, das angenehme Klima und die warmen Wassertemperaturen machen die Stadt zu einem beliebten Badeort und Ausgangsbasis für den nahegelegenen Nationalpark der Halbinsel Valdes. Interessant zu sehen, dass wir kaum nachdem wir Feuerland mit seinen herbstlichen Temperaturen verlassen haben, schon wieder mit Hitze bis teilweise 35°C zu kämpfen haben. Die heiße Spätsommersonne steigert unser (Jagd-)Fieber nur weiter. Die Bartenwale sind leider schon längst wieder abgezogen, aber die Schwertwale (auch bekannt als Killerwale) sollen vor allem im März und April gut auf Valdes zu beobachten sein. Dabei haben sie auf der Halbinsel eine besondere Jagdtechnik entwickelt, die man weltweit fast nur hier so gut beobachten kann. Bei Flut werfen sich die großen Tiere an den Strand und versuchen so Seelöwenbabys zu packen. Also nicht lange in Puerto Madryn abhängen, sondern raus in den auf der UNESCO-Welterbeliste stehenden Nationalpark um Tiere zu sichten. Wir hängen zwei Nächte im lässigen Puerto Piramides ab, dann geht es zum Punta Norte, wo die Chancen am besten stehen Orcas zu sehen. Schweizer Reisende, die wir kurz zuvor getroffen haben, waren ganz bewegt von ihren Orca-Begegnungen. Wir sind dann auch rechtzeitig am Punta Norte, interessant sind die drei Stunden vor und nach der Flut, denn dann können die großen Jäger mit dem (Hoch-)Wasser bis hinein in die Seelöwenkolonien schwimmen. Doch die Schwertwale lassen uns über sechs Stunden vergeblich warten. Enttäuscht müssen wir mit Gürteltieren, kleinen Nagetieren, unzähligen Seevögeln, Seelöwen und je einem Pinguin und einem dicken, riesigen See-Elefant vorlieb nehmen. Enttäuscht machen wir uns auf den langen staubigen Heimweg, denn leider ist es mittlerweile nicht mehr gestattet im Nationalpark wild zu zelten.

170km südwestlich vom Punta Norte entfernt lecken wir dann noch etwas unsere Wunden auf dem Zeltplatz von Puerto Madryn und trauern den verpassten Orcas nach. Wenigstens Ellie kommt noch auf ihre Kosten, sie bekommt einen kleinen Plüsch-Schwertwal und schwimmt damit auf Welle 7, für sie hat sich der Besuch am Atlantik gelohnt. Gemeinsam genießen wir jetzt noch etwas die warmen Temperaturen, bevor wir wieder Richtung Westen, Richtung Anden ziehen wollen.

Datum: 13.03.2015(Tag 303) - Tachometerstand: 258498 km - gefahrene Kilometer: 27458 km / davon Europa 610 km / Südamerika 26848 km - Ort: Puerto Madryn (Argentinien)

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Kommentare

Wenn Patagonien nicht so endlos öde und stürmisch wäre, würde man wahrscheinlich gar nicht hinfahren. Nicht umsonst hat es vor hundert Jahren nur Strafgefangene dorthin verschlagen. Aber man muss es einmal erlebt haben, damit man nachher gerne wieder wegfährt. Willkommen in angenehmeren Breiten! Schade um die verpassten Wale. Ihr hättet halt Paris-Dakar auslassen müssen, würde Janice jetzt sagen.

Herzliche Grüße von dem Beuerlbacher SHA-Vielflieger (vorgestern hatte ich meinen letzten Trip)