Mit letzter Kraft nach Valdivia

Der Zeltplatz in Mendoza gefällt uns super, sodass wir gleich noch einmal um eine Nacht verlängern. Das bedeutet aber auch, dass wir für die Folgetage ein stressiges Programm haben werden, da wir in wenigen Tagen schon Valdivia erreichen sollten. Von Mendoza geht es zum vorerst letzten mal in die Hochanden. In Uspallata bekommen wir 15l Diesel von zwei österreichischen Touristen spendiert, die unglücklicherweise den falschen Kraftstoff für ihren Benziner getankt haben und jetzt den Sprit wieder aus dem Autotank saugen müssen. In Puente del Inca machen wir Stopp um die berühmte Naturbrücke zu bewundern, ein durch Erosion gebildeter Felsbogen. Ein paar Kilometer wartet dann der Aconcagua und ein kleines Schutzgebiet auf unseren Besuch. Der Aconcagua ist mit 6962m der höchste Berg Amerikas, zeigt sich heute aber leider verhüllt in Wolken. Wir zelten in der Nähe wild und hoffen den Gipfel vielleicht am folgenden Tag sehen zu können. Tatsächlich beginnt der nächste Tag gut. Wir stehen früh auf um die Grenze nach Chile möglichst bald zu erreichen und sehen den Berg in voller Pracht. Dann ist unsere Glückssträhne aber erst einmal vorbei...

Wir steuern die Zollgebäude nahe Puente del Inca an. Tatsächlich bearbeiten die argentinischen Behörden hier aber nur einreisende Fahrzeuge, ausreisende Fahrzeuge werden auf chilenischer Seite abgefertigt. Die erste Stunde ist wegen unserem Umweg also schon einmal verloren. Die nächste Stunde lassen wir kurz vor dem Grenztunnel liegen. Am Morgen habe ich noch gedacht, unser in Bolivien geflickter Reifen (dem ich nie richtig getraut habe), hält doch tatsächlich bis Valdivia. Jetzt lässt er uns im Stich. Das Auto zieht nicht mehr richtig am Berg. Ich denke zuerst, das Fahrzeug hat Probleme in der dünnen Luft (wir sind wieder auf über 3000m) und schalte herunter, dann höre ich ein ungutes Geräusch von der Hinterachse. Verdammt der rechte Hinterreifen ist wieder geplatzt! Rechts ranfahren und wohl oder übel mal wieder die Reifen wechseln. Doch dieses mal wartet weiteres Ungemach. Die Handwerker in Cuzco haben bei der Blattfederreparatur die Radmuttern so angeknallt, dass ich die Muttern kaum lösen kann. Schon damals hatte ich Bedenken, als ich gesehen habe wie die Radmuttern festgeschraubt wurden, aber ich wollte den Mechanikern nicht in ihre Arbeit reinquatschen. Jetzt rächt sich meine Zögerlichkeit. Fünf Minuten später ist mein Radkreuz kaputt und nur eine von fünf Radmuttern gelöst; na super!! Schönerweise wird bei den LKW-Fahrern Solidarität mit Pannenfahrzeugen groß geschrieben. Kaum winken wir um Hilfe, stehen schon drei argentinische LKWs an unserer Seite. Mit deren Hilfe sind die Schrauben schnell gelöst und kurz danach fahren wir durch den Grenztunnel nach Chile. Glück im Unglück, hätte uns die Panne in dem schlecht belüfteten 3km langen Tunnel erwischt, dann wäre das Chaos ungleich größer gewesen.

Wir erreichen die chilenische Grenze und jetzt rächt sich unsere Verspätung. Es ist Hauptreisezeit in Südamerika und die Schlange vor den Abfertigungshäuschen ist schon stark angewachsen. Wir rechnen mit einer Stunde Wartezeit, doch letztendlich werden es drei. Wir legen unsere vorab ausgefüllten Unterlagen vor, als es auf einmal heißt, für ein deutsches Fahrzeug benötigt man ein anderes Formular. Wir werden weiter zu Pontius und Pilatus geschickt und haben am Ende doch immer noch das gleiche Formular. Das ist jetzt aber wenigstens unterschrieben und abgestempelt. Das Formular ist sicherlich das falsche und wird uns vielleicht bei der Ausreise noch Probleme bereiten, aber das ist mir egal, ich will jetzt nur noch vom Hof. Es wartet aber noch die Untersuchung durch die Landwirtschaftsbehörde, die zum Schutz für die eigene Wirtschaft die Einfuhr von frischem Obst/Gemüse und Fleischprodukten verbietet, damit keine Schädlinge ins Land gelangen sollen. Konfirmiert von drei Grenzübertritten nach Chile, bei denen uns viel abgenommen wurde kreuzen wir dieses mal alle Fragen mit "Nein" an, denn alle problematischen Produkte haben wir in Argentinien zurückgelassen. Doch unser Kontrolleti ist besonders motiviert. Alles "Nein" kann wohl kaum wahr sein, also wird das Auto auf den Kopf gestellt und er findet eine abgepackte Packung Linsen, die er konfisziert und mir einen Rüffel einbringt. Ich kann mich nur damit verteidigen, dass ich darauf verweise, dass abgepackte Linsen bisher nie jemand an der chilenischen Grenze interessiert haben, was so auch tatsächlich stimmt.

Weiter geht es, verlorene Zeit gut machen über die 29 engen Serpentinen ins Tal nach Los Andes. Den Besuch beim Reifenhändler dort hätten wir uns sparen können. Der kaputte Reifen ist irreparabel geschädigt, wir müssen also mit den Ersatzreifen weiter bis nach Valdivia. Wir passieren die Hauptstadt Santiago in der allein ein Drittel der Gesamtbevölkerung Chiles leben. Chile macht hier und weiter südlich einen properen Eindruck und auf der Ruta 5, die mittlerweile auf gesamter Strecke bis Puerto Montt als Autobahn ausgebaut ist, lässt sich super fahren. Auch die Raststätten sind meist picobello, sodass diese für uns, ähnlich wie in Brasilien, als Nachtplatz dienen. Ein letztes mal übernachten wir kurz vor Temuco, dann wollen wir die letzten Kilometer bis Valdivia in Angriff nehmen. Die Ersatzreifen, die malade Blattfeder und ein paar andere kleinere Problemchen des Schlumpfs, alles scheint tatsächlich bis Valdivia zu halten. Eigentlich hätten wir schon längst eine Werkstatt aufsuchen sollen, aber mein alter Studienfreund Fritz betreibt in Valdivia eine Autowerkstatt und so wollen wir den anstehenden Kundendienst eben dort vornehmen. 40km trennen uns nur noch von Valdivia, da warten vier kapitale Baustellen mit ewigen Wartezeiten auf uns. Die fast stundenlange Warterei nervt und in der letzten Riesenbaustelle wartet das pure Chaos. Wegen der langen Warterei sind ungeduldige Fahrer von beiden Seiten in die Baustelle eingefahren, es gibt kaum noch ein Vorwärtskommen. Und es kommt, wie es kommen musste, als es endlich weitergeht erschreckt uns ein grausiges Geräusch aus dem Motorraum, doch es gibt keinen Platz zum Anhalten. Das Geräusch legt sich, vielleicht hat sich ja nur ein Holzstück von der Baustelle im Radkasten verkantet?! Doch auf einmal setzt die Servolenkung aus, verdammt! Beim Blick auf die Anzeige erkenne ich rot leuchtende Warnleuchten (u.a. Batterie und Bremse). Vermutlich gibt es Probleme mit dem Keilrippenriemen, denn auch die Motortemperatur steigt nun bedrohlich. Doch ans Anhalten ist nicht zu denken. Es gibt keinen Platz in der Baustelle und wenn ich mitten auf der engen Schotterpiste anhalte, lynchen mich die hunderte Autofahrer, die nicht an mir vorbeikönnen. Wie lange geht die Baustelle noch? Wir drehen die Heizung und die Belüftung hoch um die Motortemperatur zu senken. Keine Chance, die Temperatur und unsere Nervosität steigt auf den roten Bereich zu und kein Ende der Baustelle ist abzusehen.. Da bietet sich zum ersten mal die Möglichkeit in der Baustelle an die Seite zu fahren, schnell raus und Motorhaube auf. Sofort sehen wir die Bescherung. Von der Lichtmaschine ist die Riemenlaufscheibe abgerissen und der Riemen baumelt lose im Motorraum. Keine 15km vor Valdivia hängen wir also fest, welch Pech! Schnell Freund Fritz anrufen, dass er uns aus der misslichen Situation befreit. Welch Glück, dass er so nahe wohnt und uns zur Hilfe eilen kann. Auf seine Hilfe müssen wir allerdings noch sehr lange warten, denn auch er wird durch die Baustelle ausgebremst. Als er uns schließlich erreicht befestigen wir schnell das Abschleppseil und warten den richtigen Moment ab bis der Verkehr wieder in unsere Richtung fließt. Doch noch sind wir nicht in Valdivia und tatsächlich reißt noch auf den letzten Meter der Baustelle unser Abschleppseil. Zum Glück hat Fritz Ersatz und noch bevor von der Gegenseite der Verkehr losgelassen wird, sind wir endlich raus aus dem Flaschenhals. Eine Viertelstunde später sind wir endlich wohlbehalten bei Fritz und seiner Familie zuhause. Doch diese Viertelstunde hat es in sich, ohne Servolenkung und Bremskraftverstärker fährt sich der Schlumpf wie ein Ochsenkarren. Bei Kreuzungen oder kleinen Abfahrten habe ich alle Mühe nicht in das Hinterteil von Fritz Auto zu fahren, mit voller Kraft muss ich in die Bremse steigen, vor allem als einmal völlig überraschend ein Fußgänger auf die Fahrbahn springt. Am Zielort wartet dann die nette Familie von Fritz, kühles Bier und vor allem leckeres Grillfleisch. Aller Unbill des Tages ist schnell vergessen und wir fühlen uns sofort wie daheim. Als kleines Happy End finden wir dann auch noch die Riemenlaufscheibe im Lenkgestänge, was die anstehende Reparatur bedeutend vereinfachen wird.

Datum: 11.01.2015(Tag 242) - Tachometerstand: 252 830km - gefahrene Kilometer: 21790km / davon Europa 610km / Südamerika 21180km - Ort: Valdivia (Chile)

Kommentare

We are following your route with GREAT interest and fond memories of our trip on the same roads in 2013! We recall the heat and the fascinating landscape, together with the people we met along the way. Luckily, we didn´t have to spend 4 days waiting for the crazy participants of the Paris-Dakar Ralley to show up. . . But what we missed in the area was the Parque Provincial Ischigualasto. I was hoping you would have included this park in your trip and could have sent us some beautiful photos. Wishing you 3 a safe trip heading south through Patagonia. Don´t miss the Capilla de Mármol on the Lago General Carrera! Mucho suerte de Beuerlbach!