Kurzer Abstecher nach Feuerland

Puerto Natales hat alles was wir brauchen, einen gut sortierten Supermarkt, Wasser und Strom auf dem Zeltplatz und wenn man schnell genug ist, bekommt man auch einen Zugang zum Internet bevor zu viele Nutzer den Router blockieren. Ellie hat es besonders die Skateranlage an der Uferpromenade angetan. Starkwind hin oder her, sie will dauernd dorthin und rutscht mit den Kindern um die Wette. Ich versuche derweil die lokalen BMX-Größen mit meinen Kunststücken auf dem Klapprad zu beeindrucken, was mir nur mäßig gelingt. Zu allem Überfluss reiße ich mir bei meinen "Showeinlagen" auch noch einen Platten in den Vorderreifen. Also nichts wie weg hier und weiter nach Punta Arenas. Dort haben wir ein Treffen mit Melanie & Werner vereinbart. Tatsächlich finden wir sie auf dem genannten Werkstatthof und können dann zwei gemeinsame Tage in der Stadt verbringen.

Punta Arenas lebt auch heute u.a. von der Schafzucht. Das scheint sich immer noch zu lohnen, die Stadt macht im Zentrum einen sehr properen Eindruck, wenn nur der ständige Wind nicht wäre. Melanie & Werner nehmen von Punta Arenas die Fähre nach Porvenir/Feuerland. Wir fahren nach Nord-Osten um an einer Meerenge die Magellanstraße zu überqueren. Die Fahrt dorthin ist fade bis langweilig, nur an der verlassenen Estancia San Gregorio machen wir einen Fotostopp. Einen längeren, unfreiwilligen Halt gibt es am Fähranleger. In Argentinien gehen die Ferien zu Ende und viele argentinische Urlauber ziehen zurück in die "Großstädte" Rio Grande und Usuhuaia. Der komplizierte Grenzverlauf in Patagonien und Feuerland macht es für die Heimkehrer unumgänglich, dass sie durch das Nachbarland Chile fahren müssen. Nach knapp zwei Stunden Wartezeit sind dann auch wir auf Feuerland und fahren durch die völlig ausgeräumte Landschaft noch 50km bis Cerro Sombrero. Der kleine Plastikort hat eine ganz interessante Geschichte. Gegründet von der nationalen Ölgesellschaft diente die Siedlung als Arbeitercamp. Um den Angestellten den Aufenthalt im weiten Nichts so angenehm wie möglich zu gestalten, baute man für 500 Personen ein modernes Kino, eine Bowlingbahn, eine Sternwarte und sogar ein Hallenbad. Heute verfallen die einstigen "Prachtbauten" zusehends. Wer aber aus der Pampa Feuerlands kommt ist immer noch beeindruckt bis irritiert hier im windigen Niemandsland ein Kino zu finden.

Das monströse Kino dient uns als guter Windschutz für die Nacht. Da uns die Einheimischen erzählen, dass am Wochenende auch noch eine große Gaucho-Fiesta ansteht, beschließen wir nach dem Abstecher zu den Königspinguinen noch einmal vorbeizukommen, auch wenn Ellie den örtlichen Spielplatz nach einem Abgang vom Karussell nicht unbedingt in bester Erinnerung behält. Gut 100km südlich von Cerro Sombrero treffen wir am Folgetag wieder, wie vereinbart, Melanie & Werner und zudem eine kleine Kolonie Königspinguine. Seit neun Jahren findet sich die Kolonie auf Feuerland und ist damit die einzige dieser Pinguinart außerhalb des Antarktis. Passend zu schönen Vögeln ist das Wetter königlich und wir genießen einen wunderschönen Abend am südlichen Umkehrpunkt Punkt unserer Reise. Denn während unsere Schweizer Freunde weiter in Richtung Ushuaia fahren, haben wir genug von Fahrerei, Wind und Grenzübergängen und bummeln wieder zurück nach Cerro Sombrero zur Fiesta mit seiner sehenswerten Rodeoshow.

Auf Cerro Sombrero folgt die Rückfahrt über die Magellanstraße bei der wir einige Delfine sehen, dann geht es bei heftigen Böen und Starkregen nach Rio Gallegos. Der Wind nimmt einen fast von der Straße. Besonders problematisch wird das Fahren dann, wenn einem einer der großen LKWs oder Doppeldeckerbusse entgegenkommt und einem der Windsog fast das Lenkrad verreißt. Bei so einer Aktion verlieren wir auch die nur angeklebte Blinkerabdeckung, die wir anschließend durch ein Provisorium aus Klarsichthüllen ersetzen. Auf Rio Gallegos folgt eine Nacht am Rio Gallegos. Nach langen Tagen ist das wieder die erste Nacht auf einem Zeltplatz. Der Platz und vor allem die Duschen sind vom Feinsten, aber das Programm bleibt das bekannte, WindWindStarkwind. Am folgenden Tag gibt es dann noch Feuer und Rauch dazu. Wir sehen in der Entfernung an der Ruta 3 viele Autos und Menschen stehen, außerdem schwarzen Rauch und lodernde Flammen. Gab es einen schweren Unfall? Nein, es handelt sich nur um eine Mini-Demo. Bei der wird nicht einmal ein Protestplakat präsentiert, geschweige denn die Straße blockiert sondern nur ein Reifen nach dem anderen verheizt. Wir können also ohne Probleme weiterfahren und beim Nationalpark Monte Leon vorbeischauen. Dort soll es vor allem Pinguine, aber auch Pumas geben, sodass man nach 21:00Uhr nicht das Campinggelände verlassen darf. Leider finden wir nur ein paar Pumaspuren und keine lebendige Raubtiere, dafür sind noch einige tausend Magellanpinguine am Strand. 60000Tiere sollen es während der Brutzeit sein. Jetzt im März sind die Jungtiere fast erwachsen und viele Pinguine verlassen bereits wieder ihre Nester um die kommenden Monate auf dem Meer zu verbringen.

Der in der Nachsaison einsame Nationalpark gefällt uns gut, aber die staubigen Schotterpisten und der ewige Wind lassen bei uns den Entschluss reifen auf der Fahrt entlang der Atlantikküste in den Norden keine Umwege mehr zu nehmen, sondern so schnell wie möglich die Halbinsel Valdez zu erreichen um anschließend wieder zu den landschaftlich wesentlich reizvolleren Anden zurückzukehren. Der sich anschließende Aufenthalt im kleinen Küstenort Puerto San Julian bestärkt uns in unserem Entschluss. Der Aufenthalt auf dem ansehnlichen Zeltplatz wird einem verleidet durch den Staub der durch den Wind in jede Ritze des Fahrzeugs und jede menschliche Ritze geblasen wird.

Datum: 04.03.2015(Tag 294) - Tachometerstand: 257224 km - gefahrene Kilometer: 26184 km / davon Europa 610 km / Südamerika 25574 km - Ort: Puerto San Julian (Argentinien)

Kommentare

würde ich mal wieder hin ! Hallo ihr drei , welch geniale Bilder und Berichte !Hab so viele gute Erinnerungen an Patagonien selbst das Trampen war etwas besonderes (mit bis zu zwei Tagen wartezeit)! Wünsch Euch weiterhin viel Spaß und freu mich schon auf weitere Berichte. Euer Fan nr. 1 - Juwi

.. nur der liebe Wind nicht wäre. Heute hat es uns mehrfach fast von der Straße geweht. Stopper hat es auch noch einige, aber wir haben unser bestes gegeben, dass keiner zwei Tage auf Transport warten musste.

Beste Grüße, Rolf