"Illegale" Ausreise?!

Der Familienurlaub in Manavgat ist entspannt. Etwas Luse, viel Pool und Strand sind angesagt und gegen das schlechte Gewissen wird noch etwas Kultur eingestreut (u.a. besuchen wir Aspendos, das besterhaltene antike Theater der Welt). Doch das leichteste Leben hat irgendwann ein Ende. Aus Deutschland schwebt Chris alias CX90 ein und der Fokus liegt jetzt wieder auf Zielrichtung Katar. Doch der ursprüngliche Plan von Manavgat weiter durch Ostanatolien (und eventuell Kurdisch Irak) in den Iran einzureisen ist verworfen. Das Auswärtige Amt fordert alle deutschen Staatsbürger auf den Iran zu verlassen. Da wäre es schon sehr befremdlich, wenn wir (auch wenn wir das iranische Visum bereits erfolgreich beantragt haben) alle Reisewarnungen ignorieren.

Doch wir haben längst einen Plan B in der Tasche, auch wenn dieser zuerst einmal einen umständlichen Umweg bedeutet. Wir werden "zurück" nach Griechenland fahren und dort das Fahrzeug nach Israel verschiffen, während wir parallel den Flieger nehmen. Bevor wir uns traurigerweise von Manavgat und Familie verabschieden müssen, gibt es noch einen kleinen Aufreger. Der Wind treibt Ellies Luftmatratze auf das offene Meer und nur durch den selbstlosen Einsatz von Yannik, der todesmutig hinterherkrault, wird das wertvolle Stück gerettet. Das bischen Plastik ist kaum 5,-€ wert und die damit verbundene Aufregung zeigt mir, dass bisher alles mehr als entspannt gelaufen ist. So darf es weitergehen.

Tatsächlich wird es am gleichen Tag dann doch noch etwas aufregender. Wir haben den Küstenabschnitt um Antalya hinter uns gelassen und fahren wieder in das bergige türkische Hinterland als ich mich über den aktuellen Tankstand wundere. Die Nadel ist zu meinem Entsetzen kurz vor rot, fällt im Minutentakt, die nächste Tanke weit und der nächste Anstieg wartet. Das kann doch nicht sein, verlieren wir Sprit? Banger Blick nach hinten, ob wir eine Spur ziehen => nichts! Bei der nächsten Möglichkeit rechts ranfahren und Fahrzeugunterboden checken => nichts! Etwas nervös fahren wir weiter und sehnen eine Tankstelle herbei. Die kommt und damit der bange Blick auf die Literanzeige. Doch die Zapfpistole tut uns den Gefallen und klackt rechtzeitig. Entwarnung, der Spritverbrauch liegt weiter niedrig (ca. 7l / 100km), nur die Anzeige scheint einen Schlag zu haben. Vielleicht ist das ja ein T4-typisches Problem, 2018 hatten wir damit ja auch schon Probleme - siehe 2018-Russland

Den Tankstellen-Johnny belohnen wir gleich mal mit einem schönen Trinkgeld, er soll auch an unserem Glück teilhaben. Dann geht es munter weiter Richtung Cesme. Bei einbrechender Dunkelheit beziehen wir nahe Urla in einem stillgelegten Steinbruch unser Nachtlager. Als wir eben das Dachzelt aufbauen wollen, steht schon das erste Auto da. Wo kommt der jetzt her? Kurzer "Smalltalk" mit Händen und Füßen, dann sind die Gäste weg. Ich vermute, wir haben eben jemand seinen Schäferstündchen-Stammplatz geklaut.

Am nächsten Morgen geht es noch bei Dunkelheit raus. Wir müssen dringend rechtzeitig Cesme erreichen um von dort die Fähre nach Chios (Griechenland) zu nehmen. Wir bleiben uns treu, alles läuft easy durch, Check-In, Passkontrolle usw. Dann der Schreck bei der Zollkontrolle. Das Auto wurde irgendwo erfasst, ich habe einen Strafzettel. Wundern würde mich das nicht, denn wie alle einheimischen Autofahrer habe ich gepflegt etwa 90% aller Geschwindigkeitsbeschränkungen ignoriert. Viele Schnellstraßen werden bei Fußgängerüberwegen oder Abbiegespuren von 90 über 70 auf 50 km/h abgebremst. An diese Vorgabe habe ich mich am Anfang ca. 3x gehalten, danach war es mir unangenehm, dass ich wie ein Traktor immer den gesamten Verkehr aufgehalten habe. Jetzt also die Bescherung zu meiner Raserei. Doch es stellt sich heraus, dass ich gar nicht geblitzt wurde, sondern nur mein Mautguthaben um sagenhafte 11Türkische Lira (etwa 60 Cent) überzogen ist (das türkische Mautsystem funktioniert ähnlich wie bei Toll Collect über elektronische Erfassung). Wir hätten etwas eher von der Autobahn abfahren sollen.

Kleiner Betrag => kleines Problem sollte man meinen. Ich zeige mich großzügig und biete gleich mal an einen ganzen Euro zu zahlen um das Problem aus der Welt zu räumen. Doch die sehr freundliche Zollbeamtin, die eine etwas kurze Nacht hinter sich zu haben scheint, erklärt mir, dass sie a) kein Geld annehmen darf und b) auch gar nicht für das Problem zuständig wäre. Das ist wohl ein Thema für die Polizei, die scheint aber kein Zugriff auf meine Fahrzeugdaten zu haben und hat deshalb das Vergehen wohl nicht entdeckt. Der türkische Amtsschimmel wiehert und wir kommen nicht richtig von der Stelle. Nachzahlen kann ich hier nirgends und von der Fähragentur kann sie auch niemand erreichen, wird mir jetzt die Ausreise verweigert? Anscheinend rettet mich der Umstand, dass ich schon sämtliche Kontrollen durchlaufen habe und mit dem Fahrzeug schon vor der Fähre stehe und vielleicht auch der Umstand, dass die Dame wirklich, trotz aller Freundlichkeit, sehr angeschlagen wirkt und das Problem schnell vom Hof haben will. Sie fragt mich, ob ich in die Türkei zurückkommen möchte? Ich beziehe diese Frage mal auf die nächsten Tage und verneine. Sie zögert noch einmal kurz, dann habe ich Pass und Fahrzeugschein in Händen. Jetzt aber schnell weiter, bevor sie es sich anders überlegt. Noch einmal schnell nett winken, dann sind wir raus. Vielleicht sollte ich bei Gelegenheit mal das türkische Konsulat kontaktieren, es wäre mehr als ärgerlich, wenn mir wegen diesem Erbsenbetrag bei der nächsten Einreise in die Türkei Probleme blühen.

Die Fahrt nach Chios auf der übervollen Fähre ist dann unspektakulär, der eintägige Aufenthalt aber durchaus attraktiv. Wir fahren etwas die Insel ab und besuchen die nette Ortschaften Pyrgi und Olympi.

Datum: 05.11.2022 (Tag 19) - Tachometerstand: 168.370 km - gefahrene Kilometer: 4325 km (davon Asien: 1560 km) - Ort: Chios (Griechenland)

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