Familientreffen in Rio

Die Tage in Witmarsum sind wieder angenehm beschaulich. Auch das Wetter spielt mit. Nachdem bei unserer Ankunft der brasilianische Winter hier auf der Hochebene schon mal knapp an der Gefriergrenze gekratzt hat, wird es zunehmend wieder wärmer und es bleibt vor allem trocken. Wir genießen die Tage und vertreiben uns die Zeit mit kleineren Aktivitäten. Schon unser zweiter Fahrradunfall in Witmarsum ist dabei zu vermelden, als Ellie samt Kindersitz einen Abgang macht. Aber der Aufprall ist gnädig und Ellie übersteht die Stunteinlage mehr lachend als weinend.

Nach einer Woche Witmarsum fühlen wir uns dann wieder gerüstet für die große Stadt. Wieder geht es in das mächtige Sao Paulo. Taktisch klug fahren wir am Sonntagmorgen in die Riesenmetropole ein, sodaß wir ohne großen Stau bei Paddy und Caro landen. Den Sonntag verbringen wir dann ganz Brasilianer-like in der Shopping-Mall. Das Wetter ist trüb, wir haben noch einige Erledigungen zu tätigen, warum also nicht dort vorbeischauen, wo auch viele der Einheimischen gerne ihren freien Tag verbringen. Auch Ellie ist begeistert, bekommt sie doch vom Shopping-Mall-Clown ein Luftballon-Schwert gebastelt, das allerdings nicht viel später leider schon wieder an einem Werbeaufsteller zerplatzt. Neben den Ballons ist Ellie vor allem von den großen Passagierflugzeugen angetan, die in geringer Höhe über die Mall donnern. Wir befinden uns mitten in der Einflugschneise des Inlandflughafens Congonhas, der spektakulärerweise mitten in der Stadt gelegen ist.

Nichts gegen Shopping-Malls, aber der folgende Montag bringt dann das deutlich abwechslungsreichere Programm. Caro macht für uns eine tolle Tour durch Sao Paulo, beginnend mit dem Besuch der Formel-1 Rennstrecke von Interlagos. Ich bin kein großer Formel-1 Fan, aber die Anlage macht Appetit, das nächste Rennen in Sao Paulo (09.11.2014) mal wieder live am Fernseher mitzuerleben. Der hügelige Rundkurs ist mit seiner Zielgerade fast direkt in ein recht schäbiges Viertel hineingebaut worden. Wenn man zudem die teilweise obermaroden Tribünen sieht, kann man sich kaum vorstellen, daß hier jedes Jahr der internationale Jetset Hof hält. Doch Sao Paulo ist ein widersprüchlicher Moloch. Hier liegen Reichtum und Überfluss sowie bittere Armut oft nahe beieinander. Favelas und die zahlreichen Obdachlosen werden von den Superreichen dabei meist einfach überflogen. Wer es sich leisten kann in der Stadt (und das sind nicht Wenige) nutzt den Helikopter um dem gnadenlosen Stadtverkehr zu entgehen. Wir haben keinen Helikopter, aber dafür Caro, die uns gekonnt zum Instituto Butantan chauffiert. Hier werden Schlangen und andere Gifttiere gezüchtet und vor allem "gemolken", um mit ihrem Gift Antiseren und Impfstoffe zu produzieren. Zum ersten mal in meinem Leben sehe ich ein Schlangen-Freiluftgehege. Gruselig die giftigen Klapperschlangen gesichert durch die Mauer zu beobachten. Leider sind die Museen heute geschlossen, ein Blick in die Räume dieses Instituts, das bis zu einem Brand im Jahr 2010, eine der größten Gifttier-Sammlungen der Welt besessen hat, wäre sicher spannend gewesen.

Nach den Schlangen erwarten uns dann die Fische. Nach einer Fahrt über diverse Steilrampen wartet, mitten hineingeklebt in ein enges Wohnviertel, ein kleines, aber feines Aquarium. Der Gang durch die Wasserwelt führt dabei nicht nur an den Aquarien vorbei, sondern auch mitten hindurch. Mit etwas Glück wird man dann von Rochen oder einem 3m langen Hai überschwommen. Der heimliche Höhepunkt des Aquariums ist aber das Riesenbecken mit Amazonasfischen und Seekuh. Als wäre da nicht schon genug zu bewundern, hüpft von Zeit zu Zeit eine Frau im Nixenkostüm ins Becken und gleitet als Meerjungfrau an den staunenden Besuchern vorbei. Welch bizarres Schauspiel, da wirkt selbst die tiefenentspannte Seekuh etwas irritiert.

Sao Paulo ist dann aber auch bald schon wieder Geschichte für uns, der Abschied von Caro und Paddy naht. Noch einmal mühen wir uns durch das Straßengewirr der Mega-Metropole. Fast 45km fahren wir vom Apartment der Beiden, das etwas südlich des Zentrums gelegen ist, bis zum östlichen Rand der Stadt. Erst dann lassen wir die letzten Häuser hinter uns. Eine Posto-Nacht später geht es dann rein in die nächste Mega-City, Rio de Janeiro. Auch hier gilt es manches Verkehrsproblem zu lösen. Vielen Dank an den oder die Erfinder des Navis, daß wir auch hier trotz apokalyptischen Verkehrs bis an unser vorab gebuchtes Apartment in Leblon finden. Doch dann ist auch unsere Wunderkiste am Ende. Sie verrät uns zwar noch einige Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Umgebung, doch die Tiefgarageneinfahrten sind alle zu niedrig für unser über 3m hohes Gefährt. Es fließt noch einiger Fahrerschweiß in der Tropenhitze bevor wir unser Fahrzeug irgendwo an den Straßenrand parken können. Auch die hektische Fahrt zum Flughafen kostet uns einige Nerven. Doch dann ist das Apartment bezogen, unseren neuen Mitfahrer Lesly & Pedro eingesammelt und wir können die Traumstadt Rio in vollen Zügen und in jetzt größerer Familienrunde genießen. Kaum einen Tag später stehen wir gemeinsam auf dem Zuckerhut und bewundern die grandiose Aussicht.

Datum: 31.07.2014(Tag 78) - Tachometerstand: 237 553km - gefahrene Kilometer: 6513km / davon Europa 610km / Südamerika 5903km - Ort: Rio de Janeiro (Brasilien)

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