Die Welt ist ein Dorf

Humahuaca ist ein netter Ort, aber auch nicht mehr. Wir hängen gemütlich ab und erwandern die Umgebung. Am wenig besuchten Zeltplatz ergeben sich immer wieder nette Gespräche mit anderen Reisenden aus Argentinien oder Kanada. Einen weiteren Bolivien-Besuch stellen wir dann vorerst zurück und statt der Ruta 9 weiter Richtung Villazon (Bolivien) zu folgen, fahren wir zuerst südlich und biegen dann bei Purmamarca in Richtung Paso de Jama bzw. Chile ab. Kurz nach Purmamarca beginnt der steile Anstieg zum ersten Pass von knapp 4200m Höhe. Der Schlumpf meistert die Höhe locker ohne zu überhitzen, aber die ohnehin etwas bescheidene Leistung von 102PS verliert in der dünnen Luft zusätzlich, sodass wir große Teile der Serpentinenstraße nur im 2.Gang bewältigen. Entspannung gibt es dann bei der Abfahrt zur Salinas Grande, wo wir in Sichtweite des Salzsees auf ca. 3500m Höhe unser Nachtlager beziehen. Weder die kalten Temperaturen, noch die große Höhe scheinen Ellie etwas auszumachen, sie tanzt am Abend noch fröhlich um das Fahrzeug.

Der Abend ist ungemütlich bei heftigem Wind, schöner wird es am kommenden Tag, wo die Sonne schnell die meisten Wolken vertreibt und wir am Salzsee perfektes Fotolicht haben. Von Alexander Blecken inspiriert machen wir wieder einige Sprungbilder. Doch für die schönen Motive zahle ich einen harten Preis. Die Salzkruste ist im Randbereich nicht sehr hart und ich krache tief ein. Unangenehmerweise befindet sich direkt unter dem Salz noch fieser Lehm, der wie Klebstoff an meinem Schuh und der Hose hängt. Was tut man nicht alles für ein schöne Bild. Da wir mit Wasser beim Wildzelten etwas knapp sind kratze ich den feuchten Lehm nur grob ab und lasse den Rest antrocknen und die Zeit für mich arbeiten. Es wird ja hoffentlich irgendwann alles abbröckeln. Weiter geht es nach Susques, das eine überraschend schöne Kirche aufzuweisen hat. Passender zu dem bescheidenen Kuh- bzw. Lamanest passt da schon die örtliche Tankstelle mit seinen sehenswerten Zapfsäulen. Vermutlich bei einer dieser Zapfsäulen passiert es, mein rechter Schlappen fällt aus dem Auto, was ich leider viel zu spät (und erst viele Kilometer weiter) bemerke. Na super, jetzt habe ich für die Reise nur noch meine verlehmten Turnschuhe und meine kiloschweren Bergstiefel, die ich bis dato noch keine Sekunde getragen habe. Doch die Trauer über den schweren Verlust hält nicht lange an. Nach einer weiteren Nacht auf dem Altiplano halten wir am nächsten Morgen mal wieder zum Fotostopp neben der Straße an. Und was bringt Isabel von ihrer Fotosafari mit zurück? Einen 1A-Markenschlappen (Havaiana) Größe 43/44, rechter Fuß!!! Ich habe mich ja schon immer darüber gewundert, welche Trottel Schuhe an der Straße verlieren (kein seltener Anblick in Südamerika), aber jetzt bin ich herzlich froh. Der Schlappen wird eingepackt. Und wie sich später herausstellen soll, verträgt er sich prima mit meinem linken (alten) Schlappen von Reef. Vielleicht hat ja der Ex-Besitzer des Havaianas im Gegenzug meinen rechten Schlappen gefunden?!, das wäre eine schöne Wendung der Geschichte.

Das war (Schlappen-)Glück im Unglück, doch schon droht der nächste Verlust. Wir haben die Grenze erreicht und die chilenischen Grenzer gelten als besonders genau, was den Schutz der heimischen Landwirtschaft betrifft. Tatsächlich wandert einiges an Gemüse und Obst aus dem Auto, aber auch der letzte Rest von Gottholds Honig bleibt in Argentinien. Das ist wirklich sehr schade und Ellie nimmt das Ganze sehr persönlich und weint bitterlich um die verlorenen Kartoffeln. Doch die Trauer währt nicht lange, wir haben schon wieder, abgesehen vom Honigverlust, sehr unproblematisch ein neues Land erreicht und die folgenden Kilometer sind landschaftlich sehr interessant. Wir erklettern den Paso de Jama mit 4400m und wähnen uns damit auf dem höchsten Punkt, den der Schlumpf je erreicht hat. Doch nach einem kurzen Abstieg zu verschiedenen Lagunen und vielen Tieren wie Lamas, Vikunjas, Flamingos und Füchsen steigt die Straße später in Chile sogar noch auf 4829m (laut Navi)! Unglaublich, der Schlumpf erträgt das alles mit einer Eselsgeduld. Andere haben da schon mehr Probleme. Einer der vielen Paraguay-LKWs, die asiatische Gebrauchtfahrzeuge von den Häfen Chiles über die Anden nach Paraguay bringen, hängt mit Motorschaden am Berg. Bei einem anderem LKW, der nach Peru möchte müssen wir gar einen der Fahrer einsammeln und nach San Pedro bringen. Er erzählt uns, das bei dem zuvor gesehenen Bus-Unfall positiverweise kein Mensch ums Leben gekommen ist. Neben diesem Unfallort sehen wir übrigens haufenweise Unfallstellen. Die Strecke ist nicht gerade viel befahren. Oft begegnet man auf dem Altiplano in einer Stunde gerade mal einem Fahrzeug, aber viele LKW und Busse fahren bei Nacht, was bei den Kurven und extremen Gefällstrecken ein gewisses Risiko darstellt. Den letzten Knaller vor Ankunft im ersten größeren Ort in Chile in San Pedro de Atacama stellt dann die Abfahrt in die Atacama-Wüste dar. Kurz nach dem Abzweig nach Bolivien fällt die Straße innerhalb weniger Kilometer von 4700m auf 2400m Höhe ab. Ohne jeglichen Serpentinen, nur mit ein paar Kurven versehen fährt man vom Altiplano wie über eine riesige Rampe ins Tal. Dabei gibt es kaum Streckenbereiche ohne Neigung, was für die hochkriechenden LKWs als auch die nicht seltenen Radtouristen eine unglaubliche Herausforderung darstellt. Auch wir sehen ein erschöpftes Pärchen, das sich irgendwo zwischen 3000 und 3500 Meter Höhe über Null am Straßenrand niedergelassen hat.

Mit unserem LKW-Fahrer an Bord (der schnell nach San Pedro möchte) rollen wir etwas schneller als gewollt am mächtigen Panorama des Licancabur vorbei. Vor knapp 16Jahren habe ich mich an seinen Steilhängen verausgabt und nur mit Mühe seinen Gipfel erreicht. Seither hat sich viel verändert, was sich auch leicht in San Pedro de Atacama ablesen lässt. War es schon 1999 ein gut besuchter Touriort, so ist der Ort noch deutlich gewachsen und auch in der Nebensaison drängen die Touris nur so hinein in das Wüstennest, das sich trotz allem einen gewissen Charme bewahrt hat. Kurz bei der etwas muffigen Touri-Info vorbeischauen, dann geht es zum Zeltplatz. Der Preis ist nicht nett (wir zahlen 8x so viel als beim letzten Platz in Argentinien), aber die Begrüßung ist sehr nett, vor allem auch durch Katarina aus Horrheim, die gerade beim Einchecken an der Rezeption steht. Freudestrahlend erzählt sie der Hotel-/Campingdame, dass die Welt doch ein Dorf sei, da unser Fahrzeug aus dem Kreis ESslingen kommt und somit kaum entfernt von ihrem Kreis Ludwigsburg liegen würde. Gerade will ich Isabel auf den Campinghof einwinken, da wird Katarinas gewagte Hypothese vom Weltdorf beeindruckend belegt. Auf der staubigen Straße nähert sich ein Gesicht, dass ich gut kenne, aber wegen der Sonnenbrille noch nicht sofort einordnen kann. Dann fällt der Groschen, es ist Robert ein alter Nachbar aus Esslingen, der bis vor kurzem nur knapp 50m von uns entfernt gewohnt hat; was für ein Knallbonbon!! Er ist mit Kumpel Michael aus der Schweiz gerade für drei Wochen in Chile unterwegs und campiert am gleichen Zeltplatz wie wir. So ein Riesenzufall, das ist wirklich ein außergewöhnlicher Auftakt unserer Tage in Chile!

Datum: 24.10.2014(Tag 163) - Tachometerstand: 244 731km - gefahrene Kilometer: 13691km / davon Europa 610km / Südamerika 13081 km - Ort: San Pedro de Atacama (Chile)

Kommentare

Liebe IER,

wir verfolgen Euren Blog mit größtem Interesse. Wir waren ja auch schon mehrmals in dieser beeindruckenden Gegend und können all Eure Erfahrungen gut nachvollziehen. Am meisten freut uns, dass Elli die Reise so toll mitmacht und Euch Euer Schlumpf auch bei diesen Höhen nicht im Stick lässt.

Herzliche Grüße von den Beuerlbacher Weltreisenden G & J

Hallo ihr drei, für solche Berichte überlass ich euch doch gerne wieder das alleinige schreiben im Tagebuch :-) Gratulation zu der Höhe! Als ich in der Gegend war konnte ich mich über Heiko amüsieren der auch in einen Salzsee eingebrochen ist! Beste Grüße und weiterhin alles Gute - Euer Juwi