Der Weg war umsonst

In Canto Grande genießen wir das angenehme Campingleben und die schönen Stränden (irritierenderweise liegen auch dieses mal wieder relativ viele tote Pinguine am Strand). Carina kommt auf die glorreiche Idee, das Camping mit einer Grillrunde abzurunden, schließlich ist die Infrastruktur dazu ja vorhanden. Logischerweise bleibt das Anfeuern dem einzigen Herrn der Runde vorbehalten. Die brasilianische Holzkohle fordert mir dann auch meine volle Manneskraft ab und will alles nur nicht glühen. Kurz bevor die Stimmung in der Mannschaft kippt bekomme ich dann mithilfe unserer Fußpumpe aber die Kurve und die von mir vielgescholtene Holzkohle liefert echte Leistung ab. Die benötigen wir auch, denn die Fleischlappen sind riesig. Wir haben in der Metzgerei Grillfleisch für 4 Personen geordert, die gelieferte Menge reicht fast für doppelt so viele Personen. Die Brasilianer sind eine echte Fleischessernation, da hat Kleines keinen Platz beim Metzger.

Gestärkt von unserer leckeren Grillaktion geht es die Küste nach Norden nach Barra Velha, noch einmal zu meinem Cousin Andreas mit seiner Familie. Auf dem Weg dorthin machen wir Stopp in Balneario Camboriu. Die Skyline ist beeindruckend, 1898 Hochhäuser sollen sich an der Uferpromenade drängeln. In der Nebensaison verlieren sich hier etwa 100.000 Menschen, in der Feriensaison kann die Zahl auf 600-700.000 Menschen anschwellen, unglaubliche Zahlen. Wenn man sieht wie schmal der Strand dieses Badeortes ist, bin ich froh, daß wir hier im brasilianischen Winter gelandet sind. Einen weiteren Knaller kann der "Ort" allerdings auch im Winter anbieten. Laut Wikipedia besitzt Balneario Camboriu die einzige Seilbahn weltweit, die zwei Strände miteinander verbindet. So einen eigentümlichen "Megarekord" müssen wir natürlich gleich mal austesten. Auch wenn mich der Rekord an sich nicht sehr beeindruckt, die Seilbahn führt sehr schön ins Grüne und noch viel schöner, man kann auf dem Hausberg auch (Sommer-)Rodelbahn fahren und per Ziprider ins Tal rasen, was wir dann auch gleich mal austesten. Nach soviel aufregenden Dingen lassen wir den Abend angenehm ruhig in Barra Velha ausklingen und lassen ein weiteres Highlight von Camboriu nämlich den ersten offiziellen FKK-Strand Brasiliens links liegen.

Am nächsten Tag geht es via Freiheitsstatue, die überraschenderweise einen Ableger in Barra Velha besitzt, nach Penha in die Beto Carrero World, die brasilianische Version von Disneyland oder Europapark. Der Park steht seinen Vorbildern in den USA und Europa nicht viel nach, allerdings ist Wochenende, der Park ist sehr voll und es gibt zu wenig Fahrgeschäfte. So bilden sich z.T. Schlangen mit deutlich über einer Stunde Wartezeit. Aus diesem Grund verlegen wir unseren Schwerpunkt mehr auf die angebotenen Shows und die sind echte Knaller. Madagaskar spricht noch mehr die Kinder an. Bei Blum zittere ich schon heftig mit dem Armbrustschützen und den anderen Akrobaten mit. Bei der Motorshow tränen uns dann allen die Augen und bluten uns die Ohren bei dem Lärm und der verrückten Action, bei der es eine halbe Stunde nach verbranntem (Reifen-)Gummi riecht. 3000 Zuschauer auf der Tribüne sind aus dem Häuschen und machen eine Stimmung wie im Fußballstadion; genial. Auf der nächtlichen Fahrt nach Pomerode hätte ich gute Lust einige der verwegenen Stunts mit dem blauen Schlumpf nachzustellen.

Pomerode präsentiert sich am folgenden Morgen, wie beim letzten Besuch, extrem regnerisch. Zum Glück lässt der Regen mittags etwas nach und wir schauen auf einen Sprung im lokalen Zoo vorbei, der für eine Stadt dieser Größe (ca. 20.000Einwohner) überraschend viel bietet. Doch nicht die Elefanten, Tiger oder Löwen hinterlassen den meisten Eindruck, sondern die begehbaren Volieren bei denen einem teilweise die Vögel auf die Hand klettern. Was am Anfang nach einem lustigen Spaß aussieht, nimmt bald hitchkockartige Züge an. Nachdem Isabel nach dem ersten Vogelbesuch schon kräftig mit den Nerven kämpft, bin ich an der Reihe. Anfänglich klettert der muntere Geselle nur keck auf meinem Arm herum, dann beginnt die wilde Pickerei. Durch meinen Pulli hindurch hackt er auf mir herum, was kleine blutige Punkte hinterlässt. Der Vogelspaß geht flöten, aber Mr. Spitzschnabel lässt sich gar nicht mehr abschütteln, sondern hängt in meinem Pulli fest. Als es Richtung Kopf geht, grätscht Carina todesmutig dazwischen und verpasst ihm einen Bodycheck mit dem Rucksack. Spitzschnabel taumelt, jetzt schnell die Situation ausnutzen, raus aus der Voliere und beobachten wie andere Besucher von dem renitenten Vogel verzwiebelt werden. Keine Minute später quietscht schon die nächste verschreckte Besucherin.

Auf Natur folgt Kultur und wir bewundern noch etwas das deutsche Erbe in Pomerode, das vor allem an den vielen schönen Fachwerkgebäuden deutlich wird. Über 90% der Bevölkerung sollen deutsche Wurzeln haben und von vielen Menschen wird auch heute noch deutsch gesprochen. Nirgends war die Verständigung für uns so einfach wie hier. Überhaupt sind die deutschen Spuren nicht nur in Pomerode, sondern überall in Südbrasilien zu beobachten. Um die 600.000 Menschen sollen hier noch Deutsch als Muttersprache sprechen und die Zahl der sogenannten Deutschbrasilianer wird auf ca. 3-5 Mio. geschätzt, die wiederum vor allem in den Staaten Santa Caterina, Parana und Rio Grande do Sul leben.

Nach so viel Deutschtümelei bei Weißbier und Kässpätzle zieht es uns dann wieder in die Natur. In Corupa lockt die Rota de Cachoreias. Weit über 10 Wasserfälle kann man hier der Reihe nach abwandern und der letzte soll der spektakulärste sein. Die Betonung liegt auf "soll". Wir können uns kein Urteil erlauben, den Letzten haben wir nicht mal von weitem gesehen, wir scheitern schon am ersten Wasserfall.. Denn der Wasserfallpfad ist gesperrt. Nach Hochwasser im Juni sind die Wege wohl renovierungsbedürftig und erst im November wird die Strecke wieder freigegeben. Der (Wasserfall-)Weg war also umsonst, allerdings nicht ganz umsonst, ist doch die Urwaldpiste außerordentlich sehenswert. Bei der aufkommenden Schlechtwetterfront zuckeln wir dann weiter, hoch auf die fast 1000m hohe Serra. Als wir Rio Negrinho erreichen schlägt das Gewitter mit voller Wucht zu. Während anderswo Dächer abgedeckt werden, hält sich bei uns der Sturm im Grenzen, aber die Blitze bieten eine beeindruckende Show. Über Stunden erhellen immer wieder gewaltige Lichtspuren den Nachthimmel und der Donner lässt die Luft vibrieren, ein großartiges Spektakel. Am nächsten Tag ist alles vorbei und bei herrlichem Sonnenschein und klarer Luft rollen wir mal wieder in Richtung Colonia Witmarsum zum Heimspiel bei Vroni und Gotthold.

Datum: 03.09.2014(Tag 112) - Tachometerstand: 240 249km - gefahrene Kilometer: 9209km / davon Europa 610km / Südamerika 8599km - Ort: Colonia Witmarsum (Brasilien)

Reisen: