Der lange Weg nach Osten

Junin de los Andes liegt landschaftlich schön, doch spontane Wandertouren werden schnell ausgebremst. Wie so oft in Argentinien, versperrt einem Stacheldraht das Weiterkommen und öffentliche Wanderwege sind rar. So verlaufen unsere Ausflüge in die herbstliche Umgebung etwas enttäuschend. Um so erfreulicher, dass das nicht mehr für möglich gehaltene Treffen mit Antonio und Djadda doch noch Realität wird. Die beiden tapferen Radfahrer tauchen einen Tag vor unserer Weiterfahrt auf dem Zeltplatz auf. Es gibt viel zu erzählen, die Beiden haben aus Patagonien viele Abenteuer mitgebracht. Beim gemeinsamen Abendessen werden wir ganz neidisch auf ihre Erlebnisse. Doch der Neid ist über Nacht schnell vergangen. Es wird nachts bitter kalt und die Temperaturen kratzen an der Nullgradmarke. Wir sind froh um unseren komfortablen Reisestil im Luxusmobil und bedauern unsere italienischen Freunde als sie im Morgengrauen verfroren um ihr Zelt schleichen.

Die kalte Herbstnacht bestärkt uns in unseren Plänen die Berge zu verlassen und in Richtung Uruguay weiterzufahren. Die Schiffsüberfahrt nach Europa liegt nicht mehr so fern und die Temperaturen sind im Großraum Buenos Aires/Montevideo aktuell viel angenehmer. Doch bis dorthin erwarten uns etwa 1500km Straße durch teilweise oberfade Landschaft. Da es auch an attraktiven Städten mangelt würgen wir uns an vier Fahrtagen durch die Route Junin - Neuquen - General Acha - Carlos Caseres - San Antonio de Areco. Tatsächlich schläft einem abgesehen von der Fahrt nach Neuquen auf den langen Geraden durch plattes Land fast ständig das Gesicht ein. Eine kleine positive Überraschung sind ein paar Kilometer im Bundesstaat La Pampa. Während der Name sonst meist Programm ist, findet sich hier zwischenzeitlich schöne wellige Kulturlandschaft mit vielen Alleen. Da auf der gesamten Tour meist wieder der Stacheldraht regiert, verbringen wir die Nächte an der Tankstelle statt an lauschigen Plätzen in der Wildnis. Ellie verträgt die Vielfahrerei erstaunlich gut, verschläft sie doch den größten Teil der Tour. Sie dreht immer erst am Übernachtungsort richtig auf, so auch in General Acha, wo sie mit den einheimischen Kindern hundert mal barfuß die Skaterrampen hochklettert, bis ich sie mit zwei dicken Blasen an den Fußballen zum Auto tragen muss.

Am vierten Fahrtag erreichen wir das schöne San Antonio de Areco. Der Schlumpf hat trotz der Probleme in den Bergen super durchgehalten. Jetzt heißt es erst einmal durchatmen und ein paar Tage in dem entspannten Ort abhängen. Den riesigen Zeltplatz müssen wir uns nur mit Birgit teilen, die wir in der Touri-Info aufgegabelt haben. Die Temperaturen sind ungleich höher als in Junin, nur leider verhindert der trübe Himmel schönes Fotolicht in der Altstadt mit ihren sehenswerten historischen Bars. Von Tag zu Tag wird das Wetter auch drückender, doch die Wetter-App auf dem Handy beruhigt unsere Befürchtungen. Dichte Bewölkung ja, aber es soll trocken bleiben. So kann ich auch das argentinische Pärchen, das Birgit als Campingnachbarn ablöst, nicht verstehen, als sie uns nach dem besten Platz fragen, wo einem auch bei Starkregen nicht das Zelt fortgespült wird. Naja, es mag heute nacht ja vielleicht drei Tropfen regnen, aber doch sicher keine Sturzbäche. Sie bauen am Ende ihr Zelt auf einem überdachten, höher gesetzten Fundament auf. Naja, die Argentinier, denkt da der abgeklärte Traveller. Das denke ich dann nachts nicht mehr. Kurz nach Mitternacht setzt tropischer Regen ein und trommelt auf unser Fahrzeugdach, das mir ganz schwindelig wird. Als ich drei Stunden später, passend zum Wetter, Wasser lassen möchte, komme ich gerade bis zur Fahrzeug-Schiebetür. Es regnet immer noch so heftig, dass ich nicht freiwillig nach draußen möchte, zudem steht der Schlumpf in einem großen See. Der Weg zur Toilette ist nur schwimmend zu erreichen. In Gedanken tue ich unserer Campingnachbarin Abbitte und denke mit Grausen an die Bilder, die wir heute im Museum gesehen haben, wo viele Gebäude, die noch höher als der Zeltplatz stehen, vom nahen Bach überflutet waren.

Der heftige Regen lässt zum Glück um 4:00Uhr nach. So gleicht der Zeltplatz am frühen Morgen zwar einer Matschlandschaft, doch die Erde kann nach langer Trockenheit erstaunlich viel Feuchtigkeit aufnehmen und die Seenlandschaft ist verschwunden. Dank unserer Geländereifen kommen wir auch ganz gut vom Platz und nicht viel später queren wir bei Zarate den Parana über die Autobahnbrücke, die ich vor einem knappen Jahr mit dem Schiff von Europa kommend, unterquert habe. Drei Stunden später sind wir in dem gemütlichen Ort Colon direkt am Rio Uruguay, das gleichnamige Nachbarland ist bereits in Sichtweite. Konfirmiert durch die etwas bescheidene Qualität unserer Wetter-App frage ich heute bei der Touri-Info und am Zeltplatz nach möglichen Regenschauern. Keine Bange, seit zwei Monaten hat es nicht mehr geregnet und heute ist auch nicht damit zu rechnen. Gut zu wissen, da können wir bei den schwülen Temperaturen über Nacht ja schön die Heckklappe am Auto offen stehen lassen. Pustekuchen, in der Nacht haut es uns die Regentropfen um die Ohren, dass ich trotz maximalem Körpereinsatz nass und dreckig wieder ins Auto steige, nachdem ich todesmutig bei den ersten Tropfen hinten vom Nachtlager in die dunkle Nacht gesprungen bin. Wenigstens zeigt die zweite Extremregennacht, dass unsere Reparaturarbeiten an der Dachluke erfolgreich waren. In Pucon (Chile) hatten wir festgestellt, dass nach Dauerregen am hinteren Fenster blöderweise Wasser eindringt.

Datum: 17.04.2015(Tag 338) - Tachometerstand: 262214 km - gefahrene Kilometer: 31174 km / davon Europa 610 km / Südamerika 30564 km - Ort: Colon (Argentinien)

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