Der fast perfekte Platz

Heute ist für ganz Griechenland Unwetterwarnung ausgerufen. Sogar auf dem Handy erhalte ich, verbunden mit einem durchdringenden Warnton eine entsprechende Meldung. Doch unsere Fähre ist ordentlich groß, sodass der langen Überfahrt nach Piräus nichts im Wege steht, auch wenn sich die rauhe See zwischendurch bemerkbar macht. Tief in der Nacht erreichen wir den Zielhafen Piräus. Kurz auf einem Zeltie abhängen und dann wird auch schon der nächste Hafen aufgesucht. Wir müssen nach Lavrio, hier soll unser Fahrzeug nach Israel eingeschifft werden; unser Plan B, nachdem der Transit durch den Iran aktuell nicht möglich ist. Außer uns sind auch ein paar andere Privatfahrzeuge mit Zielrichtung Arabische Halbinsel unterwegs, u.a. ein walisisches Team, dass wie wir nach Katar zur Fußball-WM möchte. Zwei Fahrzeuge, eines davon mit E-Antrieb und vier Männer sind auf Achse. Mit dabei Scott Young ein ehemaliger walisischer Profi-Fußballer und ein renommierter Reporter bzw. Fotograf, der uns auch gleich in ihren Profi-Internetauftritt einbindet - electriccartoqatar Sie vermarkten ihre Tour hochprofessionell und hatten kaum ein paar Tage vorher eine Audienz bei UEFA-Chef Ceferin.

Nach der netten Begegnung steht gleich das nächste Treffen an. Wir haben noch ein paar Tage Zeit bevor unser Flieger nach Tel Aviv geht und checken im coolen Viertel Psyri im Hostel zusammen mit Arbeitskollege Stratos ein, der aktuell ebenfalls in der griechischen Hauptstadt unterwegs ist. Immer schön, fern der Heimat bekannte Gesichter zu sehen. Neben den kulturellen Höhepunkten der Stadt überrascht uns Athen und speziell unser Viertel mit einer Vielzahl leckerer und vor allem origineller Einkehrmöglichkeiten und Bars. Die Stadt nimmt uns voll ein.

Stratos muss zurück nach Deutschland, wir fliegen nach Tel Aviv um dort gleich den Zug nach Haifa zu nehmen. Der Rote Blitz ist schon im Hafen und steht zur Abholung bereit. Alles läuft wie am Schnürchen und wir sind zeitig bei der vermittelnden Agentur. Doch wir haben die Rechnung ohne die einheimischen Behörden gemacht. Das Wochenende steht an und ab 15:00Uhr wird die Arbeit eingestellt. Ich verliere den Überblick wie viele Stadtionen wir im Schweinsgalopp durchlaufen. Kühlerhaube auf, Chassisnummer prüfen. Hatten wir zwar schon bald dreimal, aber auch der fünfte Posten will seine Daseinsberechtigung unter Beweis stellen. Glück im Unglück, wir sind spät dran und ich vermute das beschleunigt den Kontrollprozess enorm. So sind wir nach knapp 5h Dauerlauf tatsächlich durch. Sehr mühselige Geschichte, aber die Behandlung durch die verschiedenen Behörden war immer absolut korrekt und freundlich.

Zusammen mit Mopedfahrer Tobias, der auf dem Weg nach Dubai ist, geht es ins nächste Hostel. An Fahren ist heute nicht mehr zu denken, es wird in Israel schon um 16:30 dunkel. Zudem sind wir schon seit 3:15Uhr auf den Beinen. Hostel und Ausgehkneipe passen, nur die Preise tun gewaltig weh. Tel Aviv gilt aktuell als die teuerste Stadt der Welt. Haifa kommt da nicht ganz ran, aber billig ist anders.

Von Haifa ist es dann ein Katzensprung nach Nazareth. Wie viele Städte des Landes ist das Erscheinungsbild nicht sehr attraktiv, aber der Ort ist einfach absolut geschichtsträchtig und ein Muss wenn man hier schon in der Ecke unterwegs ist. Das Museumsdorf ist sehr überzeugend und macht Geschichte lebendig. Auch die Marienkirche beindruckt durch Größe und Schönheit.

Nach dem staubigen Nazareth ist dann der wunderschön gelegene See Genezareth des perfekte Kontrastprogramm. Wir steigen mit dem Fahrzeug weit unter den Meeresspiegel ab, der See ist einer der am tiefsten gelegenen Punkte der Erde, und finden einen schönen Platz am Wasser zum "Wildzelten". Der wohltemperierte See lädt zum Baden ein, wir unterhalten uns angeregt mit vielen Einheimischen und genießen den Abend bei lauen Temperaturen. Camperherz was willst Du mehr. Dachzelt abspannen, ach für was denn? Oder vielleicht doch, da war doch ein Windstoß?! Naja, sicher ist sicher. Doch in den betonartigen Untergrund geht kein Hering. Vielleicht mit Steinen abspannen, die besseren Kiesel werden schon ausreichen. Die besseren Kiesel reichen bis ca. 21:00Uhr, dann muss ich weitere Gewichte nachschieben, zusätzliche Steine, Stühle und den Tisch. Zurück ins Dachzelt und ein paar Minuten später gleich wieder runter. Es scheppert gewaltig und der Alutisch liegt fünf Meter entfernt. Der Wind nimmt langsam bedrohliche Züge an und das Zelt flappert, dass alles zu spät ist. On top kommt noch das gespenstische Rufen der Schakale?! Langsam liegen die Nerven blank. 23:00Uhr: der Wind wird immer noch stärker (wie lange hält das Zelt?) - 24:00Uhr: man könnte meinen der Wind lässt nach?! - 2:00Uhr: habe ich tatsächlich mal geschlafen die letzten Minuten oder hallzuniere ich schon? - 3:00Uhr: zum wiederholten male löst sich eine Stange und ich muss wieder Reparaturarbeiten leisten - 4:00Uhr: wenn es jetzt aufhören würde, könnte ich tatsächlich noch zwei Stunden schlafen vor Sonnenaufgang - 5:00Uhr: ich krieg den Föhn, der Wind wir ja noch stärker. Wenn das Zelt bis jetzt noch nicht zusammengekracht ist, dann wird es sicher die nächsten Minuten in die Knie gehen - 5:30Uhr: jetzt reicht es. Wenn ich nicht freiwillig aussteige fliege ich die nächsten Minuten mit Zelt vom Dach. Chris ist selbstredend auch schon wach, auch im Auto war kaum an Schlaf zu denken.

Machen wir das Beste aus der Situation, früh aufstehen, heißt früh weiterkommen. Das bedeutet, wir hätten heute viel Zeit für Jerusalem. Kurzer Plausch mit den Nachbarn, deren Zelt auch bös in den Seilen hängt, aber doch etwas windgeschützter steht. Und by the way heute ist ja Radrennen um den See Genezareth und by the way alle Straßen stundenlang gesperrt. Nein bitte nicht, als Windtrostpflaster haben wir uns auf den Tag in Jerusalem gefreut. Schnell ins Auto und hoch zur Ausfahrt. Doch wir kommen tatsächlich zu spät. Wir haben 6:32Uhr und seit zwei Minuten ist die Straße zu. Verdammte Axt, wer fährt denn bei Windstärke 7-8 auch Radrennen? Stunden später ist die Straße dann doch irgendwann frei und wir erreichen schönerweise noch bei Helligkeit Jerusalem.

Datum: 12.11.2022 (Tag 26) - Tachometerstand: 168.820 km - gefahrene Kilometer: 4775 km (davon Asien: 1914 km) - Ort: Jerusalem (Israel)

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