Der blaue Schlumpf auf Pistenfahrt

<<Hallo Juwi, herzliche Grüße nach Rumänien. Da muß ich doch gleich mal mit einem Bericht aus Südamerika und den wilden Pisten dort kontern :-)) >> Wir nehmen Abschied von Rainero Largojohannes (der gerade von der Polizei Besuch bekommt; hoffentlich kein Ärger?!) und machen uns auf den Weg die Wasserfälle des Iguazu-Flusses von der argentinischen Seite zu bewundern. Am Parkplatz hält neben uns ein Kleinwagen mit brasilianischem Kennzeichen und der Fahrer meint, "ach von Ässlinge seid èr?" Das Pärchen aus Plochingen ist gerade auf Brasilienreise und schaut mit dem Mietwagen schnell auf die argentinische Seite rüber. Neben Plochingern gibt es dann wieder eine Vielzahl von exotischen Tieren zu bewundern. Nasenbären, dieses mal sogar im Dutzender-Pack, Echsen, Affen, Tukane und als besonderes Bonbon sogar einen etwa 2m langen Kaiman, der im seichten Wasser dümpelt, bekommen wir zu sehen. Der Höhepunkt sind aber natürlich die Fälle selbst. Leider fehlt die größte Attraktion. Nach einem massiven Hochwasser vor ca. zwei Monaten (die Spuren der Verwüstung sind teilweise noch zu sehen) fehlt der Zugang über den Fluss zur Abbruchkante am Teufelsschlund. So sind die Fälle auf brasilianischer Seite aktuell wohl beeindruckender anzusehen, die argentinische Seite bietet aber sehr reizvolle Wege entlang der Wasserfälle und viele wunderbare Ausblicke.

Zum Abschluss der Tour muss noch etwas geshoppt und Postkarten eingekauft werden. Nicht zum ersten mal sind wir über die Preise und die Wechselkurse verwundert. Für läppische 2,-€ bekommt man 21 (in Worten einundzwanzig) schön anzusehende Postkarten, aber gerade mal eine Briefmarke, die als Porto nach Europa taugt. Also kaufen wir im großen Stil Postkarten und verschieben den Briefmarkenkauf auf die örtliche Post (wo es laut Aussagen der Verkäuferin günstiger wäre). Doch noch ein Wort zum Wechselkurs. Der argentinische Peso ist seit Wochen im Sinkflug und der vor kurzem eingetretene Staatskonkurs des Landes trägt auch nicht gerade zur Stabilisierung bei. So ist der Hunger nach ausländischen Devisen groß und verständlicherweise gibt es verschiedentlich einen Schwarzmarkt auf dem man für einen € deutlich mehr als den offiziellen Wechselkurs von 10,50Peso bekommt (im Internet finden sich Zahlen von bis zu 18 Peso). Allerdings kann man auch in einer offiziellen Wechselstube Kurse erhalten (in unserem Fall ca. 15,-Peso), die deutlich über den (in der Wechselstube) an der Wand angeschlagenen Werten liegen. Anscheinend ist das von der Polizei geduldet, aber wer bitte schön tauscht dann zum regulären Kurs??

Wir haben genug gesehen von Puerto Iguazu, also weiter rein ins Abenteuer Argentinien. Wir fahren südlich durch den Bundesstaat Missiones, vorbei an ärmlichen Guarani-Behausungen. Die Indianer/Ureinwohner scheinen, wie an so viel anderen Stellen der Welt, abgehängt zu sein von der Gesellschaft. Auch San Ignacio macht einen etwas bescheidenen Eindruck. Im Reiseführer wird vor Besuchermassen gewarnt und ich habe einen geleckten Touriort erwartet. Doch die Touristen interessieren sich meist nur für die unter UNESCO-Schutz stehenden Ruinen der Jesuiten-Mission und lassen den Ort links liegen. Zudem ist gerade Saure-Gurken-Zeit was die Besucher betrifft, September bis November ist Nebensaison. So wirkt der Ort leicht schäbig und verlassen, aber unser Mini-Camping, der an eine kleine Herberge angeschlossen ist und genau Platz für ein Fahrzeug bietet, ist erste Sahne und die Gastgeber, wie man es von Südamerika gewohnt ist, sind ausgesprochen nett.

Auch wenn der Ort wenig bietet (nicht einmal eine einzige Briefmarke gibt es noch im Postamt; vielleicht hätten wir doch an den Wasserfällen zuschlagen sollen), die Ruinen sind sehr sehenswert. San Ignacio Mini ist eine von 30 Missionen, in der die Jesuiten versuchten die Ureinwohner zu missionieren, sie gleichzeitig aber auch menschlich zu behandeln und vor der Sklaverei und Ausbeutung durch die europäischen Eroberer zu bewahren. Die meisten Missionen entstanden im 17.Jhd. und zerfielen bereits Mitte des 18.Jhd. nach der Vertreibung der Jesuiten. Neben Argentinien finden sich solche Missionen auch in Paraguay oder Brasilien.

Dank unserer edlen Klappräder können wir auch einen Ausflug zu einem kleinen Naturpark am Parana machen. Die Piste dorthin ist teilweise unterirdisch, aber die Natur am Park sehr schön und völlig einsam. Neben einem Waldlehrpfad mit eigenartigen Urwaldmonstern (siehe Anhang, Prädikat: sehr sehenswert) führt ein Fußweg zu einem einsamen, zerstörten Haus im Urwald, das von den Jesuiten errichtet worden sein soll. Laut Aussage der Einheimischen bzw. der Infotafel vor Ort, soll sich nach dem Zusammenbruch des 3.Reiches der hochrangige Naziverbrecher Martin Bormann hier versteckt gehalten haben. Dies ist allerdings nicht belegt und wohl eher ins Reich der Legenden zu verweisen. Laut offiziellen Quellen beging Bormann in den Endtagen des Krieges in Berlin Selbstmord.

Wir verlassen San Ignacio, treffen auf der Straße nach Süden noch einmal das nette italienische Pärchen mit ihrem Tandemrad, das wir bereits aus San Ignacio kennen und verlassen dann südlich von Posadas die gut ausgebaute Ruta 14. 120km Piste warten vom Abzweig bis nach Carlos Pellegrini unserem nächsten Ziel. Nach vielen kürzeren Pistenabschnitten in Brasilien, ist dies die erste echte Härteprüfung für unseren Schlumpf. Da wir von anderen Reisenden bereits gebrieft sind, daß die Fahrt rau werden könnte (ein Paar musste bei schlechtem Wetter gar umkehren), fragen wir sicherheitshalber an der letzten Tankstelle noch einmal nach. Super!, die Strecke ist wunderbar, er sei die Piste erst letztes Wochenende gefahren, gar kein Problem, meint der freundliche junge Mann. Na wunderbar, dann frisch ans Werk, geteerte Straßen fahren kann jeder. Nur blöd, daß es seit dem letzten Wochenende geregnet hat. Die ersten unangenehmen Stellen machen mir noch keine Sorgen, da der nette Herr vor 15km möglicherweise etwas beschwerlicher Strecke gewarnt hat. Es läuft dann zwischenzeitlich auch ganz gut, schön im 4.Gang kann ich mit 60 bis 70km/h gut Geschwindigkeit machen. Doch dann ist der schöne Teil auch schon wieder vorbei. Kein anderes Fahrzeug ist mehr zu sehen und nur noch eine handvoll Spuren führen durch den zerwühlten Untergrund. Bloß nicht in die knapp einen halben Meter tiefen LKW-Spuren fallen. Schon unsere Spuren sind so tief, daß wir trotz unserer üppigen Bodenfreiheit mehrfach mit dem Unterboden die Piste streifen und reichlich Erde einsammeln. Die Gefahr, daß wir uns festfahren besteht kaum, aber die Piste ist anstrengend und die Wolken werden immer dunkler. Regen ist angesagt und der Gedanke hier im Matsch festzuhängen ist kein Guter, vor allem, wenn man bedenkt, daß in der Region in der wir uns befinden die Bevölkerungsdichte bei unter 2 Personen/km² liegt und der nächste Ort immer noch 60-70km entfernt ist. Der Schlumpf hält tapfer durch, aber den Mädels schlägt die Piste schwer auf den Magen. Isabel ist schon ganz grün im Gesicht und fordert wiederholt kurze Pausen, bevor ihr die Mittagspause wieder hochkommt. Ellie inspiriert von der Mami, bildet sich jetzt auch ein ihr wäre schlecht und fordert von mir, daß ich endlich anhalte bzw. endlich am Ziel sein soll. Spuckende Mädchen oder Kampf durch die Matschpiste. Beides hängt wie ein Damoklesschwert über dem nervösen Fahrer. Das Wetter hält, doch der Magen nicht, zumindest der von Ellie. Nachdem Isabel es stundenlang angekündigt hat, macht Ellie innerhalb von ein paar Minuten konsequent Nägel mit Köpfen. Sie beginnt zu würgen, ich mache eine Vollbremsung, der Rest ist schnell erzählt. Zu Belohnung darf sie noch ein paar Meter laufen, dann packe ich die Damen wieder ein und wir rollen die letzten Meter zum Zeltplatz. Stolz erzählt, die jetzt wieder beschwingte, Ellie, daß sie gewonnen hätte. Die Mami habe nur davon gesprochen, aber sie hat dann das Spuckie gemacht. Ende gut, alles gut! Zur Krönung wartet dann auch noch ein toller Zeltplatz direkt an der Laguna de Iberra auf uns. Am Abend treffe ich einen Schweizer, der erzählt, daß sie am Vortag, dieselbe, allerdings noch feuchtere Piste gefahren sind. Ihre einheimischen Fahrer hätten trotz bester Allradfahrzeuge Probleme gehabt die Autos auf der schmierigen Piste zu halten. Ganz verwundert fragt er mich, ob ich von hier (Argentinien) wäre, da ich die Strecke ganz allein gefahren sei. Das adelt natürlich, auch wenn ich die Bewunderung eins zu eins an unseren tapferen Sprinter weitergeben muss.

Datum: 17.09.2014(Tag 126) - Tachometerstand: 241 498km - gefahrene Kilometer: 10458km / davon Europa 610km / Südamerika 9848km - Ort: Carlos Pellegrini (Argentinien)

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Kommentare

Hallo Ihr drei, ja super, auf solche Berichte warte ich schon die ganze Zeit, werde auch ganz neidisch weil ihr es da so warm habt. Immer weiter so. Grüße aus dem feuchtkalten Rumänien