Angela Merkel thinks we`re at work

Der EM-Auftakt in Warschau war ein Einstieg nach Maß in das Turnier. Während wir uns am nächsten Morgen noch etwas erholen können, sind Rainer und Joachim schon auf dem Weg nach Lemberg um das Spiel Deutschland ggn. Portugal (1:0) zu besuchen. Für Birne und mich geht es am Mittag weiter nach Posen. Wir haben die kleine Hoffnung, dort an Karten für das Spiel Irland-Kroatien zu kommen. Etwas gerädert erreichen wir nachmittags den Campinplatz am Malta-See, der offizielles Fan-Camp ist und schon von dutzenden irischen WoMos besetzt ist. Waren wir von den polnischen Gastgebern bisher sehr angetan, kommt jetzt das erste Ärgernis. Sage und schreibe den achtfachen Preis (im Vergleich zum Zeltplatz in Torun) zahlen wir hier für einen Platz auf dem nackten Asphalt, Musikbeschallung bis morgens um 5:30Uhr in Düsenjägerlautstärke inclusive. Wenigstens können wir auf Nachfrage den Preis etwas drücken und uns nachträglich einen Platz auf der Wiese organisieren, aber ein fader Nachgeschmack bleibt.

Schnell vergesen ist der Unbill, als wir in die Innenstadt ziehen. Posen ist die perfekte EM-Stadt. Eine sehr attraktive Altstadt, haufenweise Kneipen und schöne Plätze sind die richtige Bühne für die Fans aus Kroatien und Irland. Schon einen Tag vor dem Spiel ist die Stimmung prächtig. Zusammen mit Fans aller Lager zittern wir uns vor einem der vielen TV-Geräte zum Sieg gegen Portugal. Am folgenden Tag ist die Stimmung dann am Kochen. Zehntausende Fans aus beiden Lagern sind jetzt in der Stadt und übertreffen sich in ihrer Selbstdarstellung. Das läuft trotz hektoliterweisem Bierkonsum weitgehend fröhlich und friedlich ab, nur die Kroaten haben etwas Konfliktpotential am Start, was dann abends auch zu kleineren Reibereien führt (siehe spiegel.online). Unser Lieblingsplakat stammt von den Iren und lautet "Angela Merkel thinks we`re at work" (in Anspielung auf das EU-Spardiktat der Deutschen etwa zu übersetzen mit: "Angela Merkel glaubt wir wären bei der Arbeit").

Obwohl wir bei der Masse von Fans kaum noch an ein Kartenschnäppchen am Stadion glauben, fahren wir dennoch raus an den Spielort. Hier sind außer uns aber nur noch hunderte andere Kartensuchenden und vereinzelt noch ein paar professionelle Schwarzmarkthändler, die auch nach Spielbeginn noch 100,-Euro für ein Ticket haben wollen. Wir brechen die Aktion ab und ziehen bei dem trüben und nasskalten Wetter direkt zurück zum Zeltplatz.

Für Birne ist das Abenteuer EM dann beendet, er fährt mit dem Warschau-Berlin-Express zurück nach Deutschland. Ich genieße noch einen Tag Posen, daß sich nach den Fangelagen wieder etwas frischmacht und fahre dann weiter via Chelmno (Kulm) nach Torun. Auch hier ist die Innenstadt und der Camping fest in irischer Hand. Auf dem Weg zum nächsten Spielort Danzig machen hier viele der Fans in der unter UNESCO-Schutz stehenden Stadt Halt. Auch ein paar deutsche Reisende sind zu finden, darunter netterweise ein Ehepaar aus meinem Geburtsort Neuenbürg und zwei Mädels aus Berlin auf der Durchreise ins Baltikum. Diese sind mutigerweise mit einem Mercedes 208 mit H-Kennzeichen (Baujahr 1978) unterwegs, der seinem Alter entsprechend technisch leichte Probleme macht. Den Motor stoppen sie mit Einsatz einer Spritze im Armaturenbrett, den Motor starten ist aber das größere Probleme, da ihre Batterie schwächelt. Bei der Weiterfahrt drücke ich ihnen die Daumen, daß sie tatsächlich ihr Ziel Baltikum bzw. Finnland erreichen.

Datum: 13.06.(Tag 10) - Tachometerstand: 271 659km - gefahrene Kilometer: 1922km - Ort: Torun (Polen)

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