Alarmstufe rot?!

Nachdem uns bis Valdivia hohe Temperaturen und Dauertrockenheit begleiteten, machen wir jetzt Bekanntschaft mit dem für diese Region in der Herbst-, Winterzeit typischen Schmuddelwetter. Den einen oder anderen Tag sehen wir nichts als graue Wolken und Dauerregen. Doch zum Glück haben wir noch nicht Winter, wo es hier z.T. tagelang durchregnen kann. Nach einer starken Woche heiß es dann Abschied nehmen von Fritz und seiner Familie. Ihre grandiose Gastfreundschaft werden wir nicht so schnell vergessen. Bei nieseligem Wetter fahren wir nach Pucon am Vulkan Villarica, der vor ein paar Wochen ausgebrochen ist. Doch bei dem trüben Wetter sehen wir vom Berg erst einmal gar nichts außer Wolken.

Der Sonntag präsentiert sich von seiner Sahneseite. Es ist warm und sonnig und der bekannte Urlaubsort zieht am langen Osterwochenende viele Besucher an. Ellie darf schön Ostereier und -geschenke suchen, dann gehen wir in den Ort um eine Rafting-Tour für Isabel zu buchen. Wir besprechen gerade die Details der Tour, da meint ein Mitarbeiter nur kurz, "der Vulkan". Wir eilen alle nach draußen und sehen, dass der Berg ordentlich raucht. In der Annahme, dass das ein relativ normaler Zustand ist, buchen wir die Tour und radeln dann weiter durch den Ort. Plötzlich ertönen durchdringend die Sirenen, Feuerwehr und Notarzt rücken aus, immer mehr Leute erscheinen auf der Straße und nach kurzer Zeit erscheint schon das erste kleine Fernsehteam. Da noch immer viele Leute entspannt im Cafe sitzen bleiben, nehmen wir das Ganze noch nicht besonders ernst. Während die Mädels ein Eis schlotzen möchte ich noch schnell Geld wechseln. Rein in die Wechselstube und argentinische Pesos ordern. Doch die Dame am Tresen beachtet mich kaum. Sie hortet hektisch ihre Geldnoten und meint es ist geschlossen. Auf Nachfrage erklärt sie, es wäre Alarmstufe rot und eine Evakuierung des Ortes droht. Schon werde ich zum Laden hinauskomplimentiert, der auch umgehend verriegelt wird. Auf der Suche nach einer anderen Wechselstube sehe ich, dass auch der Supermarkt bereits mit Vorhängeschlössern gesichert wird. Am Campingplatz teilt uns der Aufpasser ebenfalls mit, dass Evakuierung droht und will uns auf dem Laufenden halten. Langsam werden auch wir etwas nervös. Der ganze Ort teilt sich mittlerweile in eine merkwürdige Mischung aus hektischer Aufgeregtheit und entspannter Urlaubsstimmung. Für uns eine ganz neue, spannende Erfahrung.

Am Folgetag hat sich die Aufregung gelegt, der Berg raucht kaum noch und keiner spricht mehr von Alarmstufe rot. Isabel darf ihre Raftingtour machen und anschließend fahren wir weiter in Richtung Argentinien. Der Grenzpass liegt mit 1210m nicht allzu hoch, aber die Straße ist steil und der Schlumpf zeigt bei Fahrten unter Volllast eigenartige Vibrationen aus dem Getriebe-/Antriebsbereich. Vielleicht hätten wir bei Fritz auch dieses Problem genauer untersuchen lassen sollen. Doch Zaudern hilft nicht, in der Ebene läuft da Auto super und der Nationalpark Lanin, in dem wir übernachten ist landschaftlich wunderschön. Bei der Aussicht auf einen (laut Reiseführer) der schönsten Gipfel der Welt sind die Probleme schnell vergessen.

Die Nacht ist kalt in den herbstlichen Bergen. Am Folgetag rollen wir etwas tiefer nach Junin de los Andes, der Forellen-Hauptstadt Argentiniens. Umgeben von zahlreichen wunderschönen Bächen und Flüssen kommen hier die Fliegenfischer auf ihre Kosten. Ellie versucht auch ihr Glück mit einer Mullbinde als Angelschnur, doch komischerweise beisst nichts an. Eigentlich steht dann auch schon die lange Fahrt in Richtung Buenos Aires an, doch wir bekommen Nachricht von Antonio und seiner Partnerin, die wir von San Ignacio noch kennen, dass sie auch bald in Junin sein wollen. Also verlängern wir unseren Aufenthalt und hoffen, dass es nach etlichen vergeblich Anläufen jetzt mit einem Wiedersehen klappt.

Datum: 08.04.2015(Tag 329) - Tachometerstand: 260380 km - gefahrene Kilometer: 29340 km / davon Europa 610 km / Südamerika 28730 km - Ort: Junin de los Andes (Argentinien)