Janice bekommt die Tapferkeitsmedaille

Es will auch am Issyk-Koel See noch nicht so richtig warm werden. Janice geht in ihrer Not mit Windjacke ins Wasser. Als weiterer Regen droht suchen wir den naechsten Ort auf, wo es eine Jurten-Manufaktur geben soll. Witzigerweise finden wir in Barskooen auch einen Ford Transit mit Aufschrift Bautrocknung Riotte GbR/Esslingen. Viele Gebrauchtfahrzeuge aus Deutschland finden den Weg nach Kirgisistan. Besonders beliebt sind VW Passat und Audi 100.

Mittags klart es dann tatsaechlich auf und wir haben endlich den langerwuenschten Badespass im zweitgroessten Bergsee und vierttiefsten See der Welt, dem Issyk-Koel. Herz was willst Du mehr, perfekte Temperaturen und schneebedeckte Berge als Badepanorama. Hier koennten wir es laenger aushalten, doch der naechste See wartet schon. Wir planen eine Reittour am Song-Koel See nahe Kochkor. Auf dem Weg dorthin treffen wir nach dem Esslinger Transit weitere Bekannte aus Deutschland. Bernd aus HN-Brackenheim ist mit dem Fahrrad unterwegs, gemeinsam geniessen wir die kirgisische Kueche.

In Kochkor buchen wir ueber CBT (Community Based Tourism) die Reittour und unseren Fuehrer Aytbek, dem sicher noch nicht bewusst ist, auf was er sich da einlaesst. 50km weiter in Kyzart besteigen wir dann zum ersten mal die Pferde. Das sieht sehr belustigend aus und kommt bei den Einheimischen gut an. Ausser der reiterfahrenen Isabel haengen alle wie Pik Sieben auf ihren etwas mageren Gaeulen, das kann heiter werden. Im Kriechgang verlassen wir Kyzart, die Pferde haben keine Eile in die Berge zu kommen. Zudem scheinen sie seit Tagen nicht gefressen zu haben, mein Reittier bewegt sich im Zick-Zack von Grasbueschel zu Grasbueschel. Da muss ich mal schnell die Rute geben, die auch wenig hilft und kurz darauf, nach heftigem Gebrauch, auch schon zweimal abgebrochen ist. Am Berg wird es dann richtig muehsam, wir sind schon etwa auf 3000m ueber Meereshoehe und den Pferden scheint die Luft auszugehen. Wild verstreut ueber den Hang stehen die Tiere mit ihren ratlosen Besitzern, Aytbek hat alle Haende voll zu tun die Gruppe zusammenzuhalten. Dann der Schock, Janice Pferd laeuft unrund, der Sattel rutscht und sie faellt zu Boden. Glueck im Unglueck, sie verfehlt mit ihrem Kopf haarscharf einen Felsen, doch mit ihrem Schultergelenk schlaegt sie hart auf und wimmert vor Schmerz. Wir eilen zu Hilfe (dabei faellt zu allem Ueberfluss auch Gerhard gleich noch aus dem Sattel) und versuchen sie notduerftig zu verpflegen. Wir sind etwas ratlos, was wir machen sollen und ueberlassen Janice die Entscheidung. Sie, noch etwas benommen vom Sturz, beschliesst bis zum ersten Nachtplatz weiterzulaufen. Ein mutiger Entschluss, der kurz darauf auf der Passhoehe von einem grandiosen Panorama belohnt wird. Von etwa 3400m Hoehe blicken wir auf den traumhaft gelegenen See, die Sommerweide vieler Hirten. Ueberall stehen die Jurten der Einheimischen und wild laufen hunderte von Pferden, Kuehen, Ziegen, Schafen ueber die Weiden, eine ganz eigene Welt.

Die Schulter von Janice wird nicht besser, aber sie will die Tour in der traumhaften Landschaft auch nicht vorzeitig abbrechen. So begeleitet sie jeweils ein Gruppenmitglied waehrend die Anderen reiten. Wir waehlen einen kuerzeren Weg zurueck ins Tal und verbringen eine weitere Nacht in der Jurte. Doch das Wetter wechselt hier oben schnell. Nass und druchfroren von Hagel und Wind erreichen wir das Nachtlager. Dort haengt die Tochter des Hauses/der Jurte dann auch noch minutenlang am Seil, weil sie bei dem Sturm befuerchtet, das Dach floege davon. Auf Regen folgt Sonnenschein und wir haben noch am gleichen Abend eine sehr reizvolle Stimmung am See. Bei einem Mix aus Sturm und Sonnenschein erreichen wir am Folgetag gesund wieder das Tal von Kyzart. Ein letztes Problem wartet noch auf die tapfere Janice, der reissende Bergbach. Keine Bruecke weit und breit und zu Fuss ist das Wasser nicht zu durchqueren. Sie nimmt allen Mut zusammen und laesst sich von uns noch einmal auf das Pferd hieven. Mit Aytbeks Hilfe kommt sie gesund auf der anderen Seite an. Die Pferde sind jetzt wild, tausende von Stechfliegen warten im Tal und der heimische Stall ist nicht weit. Janice und Gerhard warten im Schatten waehrend die Anderen gen Kyzart fliegen, unglaublich wie die Klepper auf einmal laufen koennen. Mir geht sogar fast der Gaul durch, als sich das Pferd erschreckt und ich sehe mich im Geiste schon wie Janice mit Armbinde durch die Gegend laufen. Letztendlich gesund erreichen wir Kyzart und holen die zwei Wartenden mit dem Auto ab. Kurzer Abschied vom erschoepften Aytbek, dann fahren wir in Richtung Osh, der zweitgroessten Stadt Kirgisistans. Dort wollen wir einen Arzt aufsuchen, der unserer Patientin, der wir im Geiste fuer ihre Ausdauer die Tapferkeitsmedaille verleihen, untersuchen soll.

Datum: 02.08.(Tag 35) - Tachometerstand: 233 799km - gefahrene Kilometer: 7899km / davon Europa 4830km / Asien 3069km - Ort: Chayek (Kirgisistan)

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Kommentare

Hallo Weltreisende, wir sind begeisterte Fans Eurer Reise. Angesichts der Strapazen hält sich unser Neid in Grenzen. Gute Besserung wuenschen wir Janice. Wie sagt das Sprichwort: wenns dem Esel zu wohl wird, geht er aus Eis tanzen. Herzliche Gruesse Traude und Alfred