Traumstraße und Rumpelpiste

Coyhaique ist eigentlich ein ganz ansehnlicher Ort mit sehr brauchbarer Infrastruktur. Doch wir verbinden mit der Stadt leider nicht die besten Erinnerungen verbringen wir doch ein Gutteil der Zeit in der Werkstatt oder beim Vorräte einkaufen. Der örtliche Supermarkt hat eine Riesenauswahl. Allerdings haben das auch andere bemerkt. Der Laden ist voll bis unter das Dach mit kauflustigen Kunden. Man könnte meinen alle machen Hamsterkäufe als ob eine Naturkatastrophe anstehen würde. Der wahre Grund, laut Aussage eines Angestellten, sind aber die Gehaltszahlungen zu Anfang des Monats. Das neue Geld wird schnell umgesetzt. Dennoch sind wohl nicht alle Kreditkarten gedeckt. Denn die Schlangen an den wenigen geöffneten Kassen erklärt sich auch dadurch, dass die Einkäufer oft mit fünf Karten hantieren von denen keine einzige funktioniert. So stehen wir beim letzten Einkaufsgang vor der Weiterfahrt über eine geschlagene Stunde in der Warteschlange. Bei der Ausfahrt aus Coyhaique ist dann auch noch eine Straße gesperrt und keine Umleitung ausgeschildert, wir verfransen uns gnadenlos. Der Ort scheint uns nicht gehen lassen zu wollen. Kurz nach dem Ortsschild wird es dann richtig kurios. Wir hängen hinter einem Traktor fest und die Linie ist durchgezogen. Normalerweise interessiert das in Chile nicht sehr viele Menschen, aber direkt hinter uns fährt die Polizei. Wir wollen es also lieber nicht darauf ankommen lassen. Die Polizei möchte sich natürlich auch keine Blöße geben vor den korrekten Touristen und alle Fahrzeuge dahinter scheren immer wieder nervös nach links aus, ziehen aber doch wieder nach rechts, als sie die Polizei erkennen. Blöderweise haben die Linienzeichner scheinbar aus Bequemlichkeit auf gestrichelte Abschnitte verzichtet. Auch wenn die Strecke etwas kurvig ist, gibt es doch eigentlich genug übersichtliche Bereiche. So hilft alles nichts, der ganze Konvoi zuckelt etwa fünf Kilometer hinter dem lahmen Traktor hinterher, bis endlich das Überholverbot aufgehoben wird. Coyhaique lässt uns ziehen.

Zur Ehrenrettung von Coyhaique muss erwähnt werden, dass die Mannschaft von Mercedes super gearbeitet hat. Das Lager unseres Viscolüfter war ausgeschlagen, ein solches Teil aber in ganz Chile nicht erhältlich. Testweise wurde dann von einem auf dem Hof stehenden Chile-Sprinter das betreffende Teil ausgebaut und überprüft, ob es bei uns passen könnte. Nach dem dieser Austausch erfolgreich geglückt war, durften wir mit dem gebrauchten Teil von dannen ziehen und für den anderen Sprinter wurde ein neues Teil aus Santiago bestellt. Wir bedankten uns überglücklich für den Superservice und ich bin auch am folgenden Tag noch voll des Lobes über den schnellen und flexiblen Service, da stört mich in den Bergen ein Geräusch aus dem Motorraum. Vielleicht sind wir mittlerweile alle paranoid und lauschen wie die Eichhörnchen auf jedes Fahrzeuggeräusch, doch ich will auf jeden Fall bei der nächsten Pause mal unter die Haube schauen. Ah ja da, ein schöner Parkplatz, schnell rechts ran, Vesper machen und den Motor checken. Doch welch Frust, die Haube lässt sich nicht öffnen, der Seilzug zum Schloss ist ausgehängt. Ooh, diese Hulis von Mercedes!!! Was machen mitten in der Pampa? Klar ich muss die Haube nicht um jeden Preis jetzt gleich öffnen, aber der Tag wird kommen wo ich es tun sollte. Weiterfahren und bei der nächsten Werkstatt vorbeischauen oder braucht man Spezialwerkzeug?, also doch zurück nach Coyhaique zu Mercedes?? Bloß nicht, wir haben doch gerade erst mit Mühe 80km zwischen uns und die Stadt gebracht. Durch die Kühllamellen hindurchlugend versuche ich die Technik des Schlosses zu verstehen und kann tatsächlich auch erkennen, wo der Seilzug ausgehakt ist. Mit einem langen Schrauberzieher, dem Wunderwerkzeug Draht und Isabels Hilfe bekomme ich nach einer Viertelstunde und vielen Flüchen, die nicht für Ellies Ohren bestimmt sind, den Seilzug tatsächlich wieder eingehängt. Yes, ich bin der König der Mechaniker!! Später sehe ich bei geöffneter Haube, wie einfach das Schloss auch ohne den Drahtzug zu öffnen wäre. Peinlich, zum Glück sind wir bei keiner Werkstatt vorbeigefahren.

Nach so viel Technik- und Zivilisationskram freuen wir uns dann wieder auf die pure Natur. Bei Villa Cerro Castillo werden wir gleich mit einem super Sonnenuntergang belohnt. Am Folgetag geht es dann auf die Schotterpiste. Der lange befestigte Abschnitt um Coyhaique ist beendet, jetzt wartet Piste. Schnell noch einen der vielen wartenden Anhalter eingepackt, dieses mal ist es ein alleinreisende Dame aus Kolumbien, dann geht das Gerüttel los. Die Strecke bis zu unserem nächsten Ziel Puerto Rio Tranquillo ist sehr schön und wir machen viele Fotostopps. Die letzten Kilometer wartet dann noch teilweise fieses Wellblech und wir sind froh als wir endlich unseren Zeltplatz für die Nacht erreichen. Die Zufahrt ist mal wieder abenteuerlich und wir sind froh um unseren zuschaltbaren Allrad. Rio Tranquillo, am Lago General Carrera gelegen, hat nicht einmal tausend Einwohner, aber erstaunlich viel Tourismus. Der Grund sind die nahen Marmorhöhlen, die man von hier aus mit den Boot ansteuern kann. Wir buchen eine Tour für den nächsten Morgen und hoffen auf gutes Wetter, das hier am See oft sehr unberechenbar sein kann.

In der Nacht kommt starker Regen auf und der Wind bleibt weiterhin stark. In meinen unruhigen Träumen sehe ich die Bootstour schon flöten gehen. Am frühen Morgen ist es immer noch trüb, aber der Wind hat nachgelassen. Als wir das Boot besteigen ist es nahezu windstill, bewölkt aber schönerweise trocken. Die Tour ist sehr schön, für wirklich gute Bilder fehlt aber leider schönes Sonnenlicht. Nach einer starken Stunde machen wir uns auf den Rückweg und auf einmal wie aus dem Nichts ändert sich das Wetter. Es fängt an zu regnen und fast noch unangenehmer, der Wind frischt deutlich auf. Wir haben auf einmal mit Wellen bis 1,5m zu kämpfen und unsere kleine Nussschale wird schwer hin- und hergeworfen. Ungewollt bekommen wir zu unserer Ausflugsfahrt auf noch Achterbahn geboten. Wir schaukeln uns bei fiesen Verhältnissen zurück an Land und ich möchte zum Abschluss noch von unserem Bootsmann wissen, ob das jetzt etwas extrem gewesen wäre. Der winkt nur ab und meint, dass hie am See oft auch Windgeschwindigkeiten von um die 100km/h herrschen und dann hätte man mit 4m-Wellen zu rechnen. Na danke, wir haben Abenteuer genug und machen uns auf die Weiterfahrt nach Chile Chico. Etwa 50km hinter Rio Tranquillo verlassen wir die Ruta 7. Der letzte Abschnitt war neu befestigt, landschaftlich reizvoll, wahres Genussfahren. Doch damit ist es schnell vorbei als wir auf die kleine Piste nach Chile Chico einbiegen. Eine wahre Rumpelpiste, uns rüttelt es fast die Plomben aus den Backenzähnen. Erinnerungen an unsere Federungsprobleme in Bolivien werden wach und wir bekommen schon Angst um unser Auto. Zum Glück ist nur ein Teil der 115km in richtig üblem Zustand, teilweise gibt es auch neu gewalzte Erdpiste. So können wir den Ausblick über den zweitgrößten See Südamerikas und den Blick auf die Ausläufer des Nordpatagonische Eisfelds ab und an auch genießen. Unser Nachtplatz in der Wildnis ist grandios und der anstrengende Tag klingt angenehm aus, wenngleich Ellie noch ungewollt das Abendessen im Auto verteilt und wir kräftig putzen müssen. Die letzten 65km bis Chile Chico sind sehr sehenswert, aber auch anspruchsvoll zu fahren. Die Piste windet sich teilweise in großer Höhe nahe am See entlang und immer wieder geht es über steile Rampen von 20 und mehr % nach oben oder unten. Der Schotter macht das Fahren dabei nicht unbedingt einfach. Wir sind darum nicht unglücklich als wir endlich mit dem Ortsschild von Chile Chico wieder festen Untergrund unter den Pneus haben. Zudem ist der kleine Grenzposten ein gut aufgestellter Ort, genau der richtige Platz um etwas durchzuschnaufen.

Datum: 10.02.2015(Tag 272) - Tachometerstand: 254 166km - gefahrene Kilometer: 23126km / davon Europa 610km / Südamerika 22516km - Ort: Chile Chico (Chile)

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