Radtour ins Tal des Todes, Verzeihung Tal des Mondes

San Pedro ist übervoll mit Touristen. Das kann nerven, kann aber auch eine nette Sache sein, denn so ergeben sich immer wieder nette Begegnungen. Nach der Abreise von Michael und Robert hängen wir noch etwas ab, dann wollen wir langsam auch wieder aktiv werden. Wir testen unsere Klappräder und umrunden mit ihnen auf einer 15km-Tour San Pedro. Material und Fitness scheinen in Ordnung zu sein. Da wir "nur" noch 2400m hoch sind, fällt so eine sportliche Einlage nicht so schwer. Warum also nicht auch ins Valle de la Luna radeln. Das Tal des Mondes scheint in Klappradelreichweite. Am späten Nachmittag schwingen wir uns auf die Räder und haben schnell die Hälfte der Strecke geradelt. Kurz noch die Eintrittskarten lösen. Eine Aktion, die sich bei den Heerscharen von Besuchern etwas ziehen kann. Doch kaum als wir wieder in die Pedale treten wollen scheint eine Geisterhand den Windhahn aufzudrehen. Innerhalb von Sekunden wird aus Windstille frontaler Gegenwind mit Windstärke 5-6, was für eine Pleite. Da zudem die Piste immer miserabler wird und innerhalb des Parkes gewaltig ansteigt wird aus einem netten Radelausflug eine fiese Quälerei. Kurz keimt bei Isabel Hoffnung auf, als am Fuß des Anstiegs ein Pickup hält und uns mitnehmen möchte. Doch sie ist leider 20m hinter mir und ich, stolz wie ich bin, verzichte auf einen Transport, auch im Glauben, dass der Anstieg viel kürzer wäre als er tatsächlich ist. Bevor Isabel den Pickup erreicht, habe ich ihn längst weitergeschickt. Staubschluckend nehmen wir den fiesen und sandigen Anstieg in Angriff und erreichen völlig erschöpft das Valle de la Luna. Wir lecken unsere Wunden mit Hilfe der schönen Aussicht und freuen uns auf die Rückfahrt mit Rückenwind. Doch wenn wir uns da mal nicht getäuscht haben. Der Wind dreht kurz vor Sonnenuntergang und die letzten Meter werden zur Qual. Die Mädels haben kaum noch Schrittgeschwindigkeit und ich schiebe sie bei den Aufsteigen mit einer Hand noch an, damit wir wenigstens kurz vor der absoluten Dunkelheit den Zeltplatz erreichen.

Wir regenerieren uns einen Tag, dann verlassen wir den teuren Zeltplatz und schwärmen aus in die Umgebung von San Pedro de Atacama, die reich an interessanten Landschaften und wunderbaren Plätzen ist, die zum Wildzelten einladen. Wir besuchen Toconao, dessen Flussoase leider kein Geheimtipp mehr ist und deren Kleingärten auch lange nicht mehr so schön sind wie 1999 (siehe auch Südamerika `99). Wir baden in der Laguna Cajar, deren salziges Wasser für Auftrieb wie im Roten Meer sorgt. Schauen obligatorischerweise bei den Geysiren und heißen Quellen in El Tatio vorbei und runden dann die Tour im Valle de Arcoiris ab. Dazwischen schauen wir zur Proviantauffrischung in San Pedro vorbei und zum wiederholten male während dieser Reise, muss ich mit Werkzeug und tatkräftigem Einsatz einem anderen Fahrzeug zur Hilfe kommen. Ich bin ja bestimmt nicht der geborene Mechaniker, aber in diesem Fall bin ich eben der Blinde unter den Einäugigen. Die drei Jungs sind mit ihrem total verrissenen Zwillingsreifen so überfordert, dass ich ihnen wie eine Lichtgestalt erscheinen muss. Bevor einer von ihnen unter dem Fahrzeug begraben wird, kann ich gerade noch dazwischengrätschen und ihnen zur Hand gehen.

Auch am nächsten Etappenort in Calama muss ich wieder Pannenhilfe leisten und einem Holländer seinen Miet-Sprinter erklären. Er versteht seine Armaturen nicht, geschweige denn die spanischsprachige Beschreibungen und hat bis dato auch noch nicht herausgefunden, wie er seine Motorhaube öffnen kann. Langsam komme ich mir richtig wichtig vor mit meinen "außergewöhnlichen" Technikkenntnissen. Am Folgetag komme ich kaum vom Klo, da verhaftet mich der Holländer noch im Schlafanzug. Er hat aus Versehen seine Wegfahrsperre aktiviert und ist nun völlig ratlos. Zusammen mit Corey aus Colorado löst der ADAC Esslingen aber auch dieses Problem und der Hollie schiebt 2h später mit seinem WoMo vom Hof und ich kann mich endlich regulär anziehen und das Frühstück beenden. Eigentlich habe ich erwartet, dass wir verschiedentlich auf die Hilfe anderer Verkehrsteilnehmer angewiesen wären, bisher waren aber wir im Dauereinsatz mit Fahrzeugen aus dem Sand graben, Werkzeug verleihen, Starthilfe geben undundund...

Mit o.g. Corey verstehen wir uns sehr gut und er bringt uns auch auf die Idee unsere Route etwas abzuändern. Da wegen Wochenende und Feiertag der geplante Besuch der weltgrößten Kupfermine (im offenen Tagebau) in Chuquicamata vorerst ausfällt, passt der Plan von Calama via Ollague in Richtung Uyuni abzubiegen wunderbar in unser Konzept. Wir organisieren die gemeinsame Weiterfahrt nach Bolivien. Vorher ziehen wir mit Ellie aber noch ein paarmal rein nach Calama. Die Wüstenstadt groß geworden durch die nahe Kupfermine hat sage und schreibe 160.000Einwohner. Wie ein Fremdkörper liegt die wenig ansehnliche Stadt in der Landschaft, bietet aber alle Infrastruktur, die man sich wünschen kann. In einer Region, in der der offizielle Jahresniederschlag bei genau 0mm liegt, verblüffen Supermärkte mit bis zu 40 Kassen. Das verblüfft vor allem Isabel und mich, Ellie ist mehr beeindruckt vom Halloween-Treiben in der Stadt und ringt uns gleich mal Leuchthörnchen ab. Mit diesen bewundern wir dann die mit Totenkopfmasken verkleideten Rocker, die auf der Plaza mit ihren Motorrädern paradieren und Süssigkeiten an die Kinder verteilen.

Datum: 31.10.2014(Tag 170) - Tachometerstand: 245 142km - gefahrene Kilometer: 14102km / davon Europa 610km / Südamerika 13492km - Ort: Calama (Chile)

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