Paraty, die zweite

In Raubtiermanier setzt der mobile Straßendieb an, dann ist es passiert. Noch ehe Lesly reagieren kann, reißt ihr der junge Mann im Vorbeifahren die Kette vom Hals und verschwindet mit seinem Fahrrad in der Menge. Der Mann war ihr zuvor schon aufgefallen, weil er sich auffällig verhalten hat, aber dann ging alles so blitzschnell, dass sie von der Aktion völlig überrascht wird. Am helllichten Tag im vornehmen Stadtteil Ipanema wird Lesly direkt an der vielbelebten Straße beraubt. Wir sind alle etwas konsterniert. Der erste Tag in Rio de Janeiro, sowie die Reise im allgemeinen verlief bisher super und jeder hatte einen sehr angenehmen Eindruck von Brasilien. Das eben Erlebte müssen wir und vor allem Lesly erst einmal verdauen. Schönerweise erleben wir in den Folgetagen keine weiteren Unannehmlichkeiten und die Weltstadt Rio mit ihren vielen spannenden Facetten bringt uns schnell wieder auf andere Gedanken. Jeder Stadtteil trägt sein ganz eigenes Gesicht und lädt zum Entdecken ein. Wir erleben am Strand von Leblon eine Seebestattung, als dutzende Wellenreiter mit der Urne ihres Freundes aufs Meer schwimmen und gemeinsam die Asche im Meer verstreuen. Bewundern die Schönen und Reichen, die Sportler mit ihren Astralkörper und vor allem die vielen schönheitsoperierten Körper (Brasilien soll den ersten Platz in Sachen Schönheitsoperationen weltweit belegen) an der Copacabana. Tauchen ein in die coolen Szeneviertel Lapa und Santa Teresa. Huldigen noch einmal dem Weltmeister 2014 im Maracana-Stadion und schauen natürlich auch noch auf einen Sprung auf dem Corcovado vorbei. Dann ist das Geld langsam alle (Rio ist ein durchaus teures Pflaster) und wir verlassen mit einer Träne im Knopfloch unsere Unterkunft in Leblon.

Als nächstes Ziel wartet eine alte Bekannte. Vor kaum zwei Wochen haben wir Paraty verlassen, jetzt stehen wir schon wieder auf der Matte und werden auf dem Zeltplatz auch schon wie Stammgäste begrüsst. Der kleine Ort an der Costa Verde ist aber auch wirklich ein idealer Ort um ein paar Tage abzuhängen, das wollen wir Lesly und Pedro nicht vorenthalten. Beide sind auch gleich begeistert von dem Kleinod an der Grenze des Bundesstaates Rio de Janeiro zum Staat Sao Paulo. Obwohl sich unser Programm nicht sehr vom letzten Besuch unterscheidet, warten doch einige ganz neue Details, die wir beim ersten mal gar nicht entdeckt hatten. So sehen wir bei unserer Bootstour schönerweise etliche Wasserschildkröten und am letzten Abend rutschen wir aus Versehen im Haus der Kulturen in ein kleines Tanzfestival, wo uns bei den sambaähnlichen Darbietungen ganz schwindlig wird. Natürlich schauen wir auch wieder in Trindade bei den Superstränden vorbei, dann nehmen wir schweren Herzens endgültig Abschied on Paraty. Vermutlich werden wir auf dieser Reise nicht mehr hier vorbeikommen.

Die Strecke von Paraty nach Ubatuba fahren wir fast auswendig. Unangenehm wird es danach, die lästige Bremshügel-Route entlang der Küste wartet. Wenigstens ist das Wetter heute nach vielen schönen Tagen außerordentlich bescheiden. Da stört es nicht, daß wir ein paar Stunden im Auto verbringen und im zweiten/dritten Gang von Lombada zu Lombada zuckeln. Am Mittag erreichen wir Toque Toque Pequeno, ein wunderschöner Ort, der umgeben ist vom undurchdringlichen Regenwald des Parque Estadual do Serra do Mar. Ausnahmsweise gönnen wir uns für die Nacht eine Pousada und besuchen am Abend eine piekfeine Strandbar. Die Bar strapaziert zwar etwas unser Reisebudget, aber der Laden hat Stil. Besonders lässig finde ich das Vogelhäuschen, dass in der Dämmerung ständig von hungrigen Fledermäusen angeflogen wird, die sich an den ausgelegten Früchten bedienen.

Datum: 09.08.2014(Tag 87) - Tachometerstand: 237 965km - gefahrene Kilometer: 6925km / davon Europa 610km / Südamerika 6315km - Ort: Toque Toque Pequeno (Brasilien)