Kleindeutschland nahe Venedig

Die Verhältnisse in den Dolomiten sind perfekt, Sonnenschein und tiefblauer Himmel. Eigentlich wollten wir nur der Hitze im Süden noch etwas entfliehen und schöne Bilder in den Bergen machen, aber es juckt uns einfach die Wanderstiefel (in unserem Fall 10,-Euro-Turnschlappen) zu schnüren und die Berge zu erobern. Am ersten Tag wird nur das Rienz-Tal erobert. Wir laufen zehn Kilomter talaufwärts vom Toblacher See zum Dürensee. Nachdem dieser Test mit Ellie im Gepäck so wunderbar verlaufen ist, wollen wir am Folgetag auch Höhenmeter machen. Unsere "Wanderkarte" verrät nicht genau, wie "problematisch" unser Weg ist, aber eines ist schnell klar, heute geht es bergauf. Der Welt steilster Waldweg startet gleich hinter dem Toblacher See. Ohne große Serpentinen geht es Falllinie den Berg hoch, wer plant so einen Weg?? Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendein Fahrzeug (außer meinem G-Mercedes vielleicht) diese Piste hochkommt. Mit Kraxe und Ellie auf dem Rücken ist das kein Spaß und unser Minivorrat an Wasser ist schnell weggeschwitzt. Oben auf der Alm steht tatsächlich ein Allradfahrzeug, aber der Besitzer gesteht, daß er den Weg auch nur mit Differentialsperre im Kriechgang bewältigt. Schwacher Trost, wenn der weitere Weg, wegen eines Klettersteigs für uns nicht begehbar ist, müssten wir den geschotterten Wahnsinn noch einmal laufen und den Weg zurück ins Tal stolpern.

Oben auf der Alm haben wir einen grandiosen Blick auf die Berge der Dolomiten, aber immer noch keine Klarheit über den weiteren Verlauf des Wanderpfads. Wir befragen die wenigen anderen Berggeher, die aber alle nur mäßig deutsch oder englisch sprechen. Also mutig weiter in den Berg. Auf dem Sattel in 2200m Höhe ist uns dann klar, warum auf einer Karte ein Klettersteig eingezeichnet ist. Vor uns tut sich ein Abgrund auf. Naja, wir haben nicht gerade die Nordwand des Eigers vor uns, aber mit Ellie auf dem Rücken und besseren Badeschlappen an den Füßen sieht das Ganze nicht nach Spaß aus. Ein sehr nettes italienisches Pärchen, das wir zuvor schon nach der Wegqualität befragt haben, ist wohl etwas in Sorge um unsere Gesundheit und bietet ihre Wanderstöcke an. Dank der Stöcke und mit enormer Willensleistung sind wir etwa zwei Stunden später wieder im Tal. Völlig augetrocknet und mit puddingweichen Schenkeln muß ich feststellen, daß man mit Kleinkind auf dem Rücken nicht mal so schnell über 1000 Höhenmeter auf und absteigt.

Auf Berg folgt Tal und wir verlassen (jetzt mit Auto) nach einem Abstecher zu den drei Zinnen und Cortina d'Ampezzo die Alpen und nähern uns Venedig. Der Kühler kocht und wir gleich mit, wenn wir von der Hitze zuvor gewusst hätten wären wir noch etwas in der kühlen Höhe geblieben. Neben etwa 3000 Mitbewohnern liegen wir wie die Presswürste auf dem Zeltplatz nahe Lido de Jesolo. Der Camping ist fest in deutscher Hand und man bekommt alles was das Herz begehrt, von der Aquagymnastik bis zur unvermeidlichen Karaoke ist tutti inklusive. Ganz glücklich sind wir aber nicht, zum einen schwitzt man sich bei der Hitze um den Verstand, zum anderen sind wir von unseren Reisen einsame Nächte in der Wüste gewohnt und haben einfach Platzangst bei Campingstädten mit bald 1000 Stellplätzen und Bungalows.

Doch im Leben hat ja bekanntlich alles zwei Seiten und der Vorteil unseres Standortes ist die Option ohne große Probleme mit der Fähre nach Venedig zu gelangen. Zweimal setzen wir über zu der traumhaften Lagunenstadt, dann drängt es uns zur Weiterfahrt. Zwei "nette" Erlebnisse nehmen wir noch mit auf den Weg. Zum einen das (anscheinend) weltlängste Feuerwerk, das sich über 12km den Strand entlangzieht, zum anderen ein kaputtes Türschloss auf der Fahrerseite. Dieses eigentlich unerfreuliche Detail ist für uns deshalb positiv behaftet, weil mutmaßlich jemand unser Auto knacken wollte während wir in den Zelten schliefen, aber nur wenige Zentimeter von unseren sämtlichen Wertsachen entfernt, seinen Plan (aus welchem Grund auch immer) aufgeben musste. Da haben wir Riesenschwein gehabt!!

Datum: 28.08.(Tag 11) - Tachometerstand: 261 938km - gefahrene Kilometer: 715km - Ort: Ca'Savio(Italien)

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