Bank-Holidays my ass

Souverän schnurrt der Silberpfeil über Hessens Autobahnen. Wir sind wieder auf Tour und haben den ersten und obligatorischen Stau auf Deutschlands Straßen hinter uns gelassen. Bei Bensheim war die A5 voll gesperrt und wir mussten auf die verstopfte A67 ausweichen. Jetzt noch schnell rein nach Nordrhein-Westfalen und dann machen wir in Großendrescheid im wilden Sauerland Halt für die Nacht. Der Sommer steht an, doch bei Nebel und Temperaturen unter 10°C fühlen wir uns eher wie im Spätherbst.

Vom heimlichen Nabel der Welt Großendrescheid ist es nur ein Katzensprung nach Hagen und Wittern/Bommern. Schön, wenn man Urlaubsreisen mit Verwandtenbesuchen verbinden kann und so schauen wir bei unseren Onkel und Tanten im südlichen Ruhrgebiet vorbei. Dann ist aber das Kapitel Sauerland auch schon geschlossen und wir machen uns über die Niederlande nach Belgien auf. Brügge, die Perle Ostflanderns ist unser Ziel. Die von Kanälen durchzogene Altstadt steht auf der Welterbeliste der UNESCO und hat wirklich unglaublich Charme. Nach zwei Tagen haben wir immer noch nicht alle Winkel der Stadt erlaufen, doch wir drängeln etwas weiter, denn eigentlich ist ja Irland das eigentliche Ziel der Reise.

Um möglichen Versorgungsengpässen in Frankreich zu entgehen tanken wir noch einmal voll in Belgien, dann geht es nach Dünkirchen. Zum Glück ist auf unsere Strecke keine Straßensperre wie sonst an vielen anderen Stellen im Land. Auch die Fährabfertigung im streikgeplagten Frankreich läuft unproblematisch. Leider ist aber der Himmel sehr dunstig, sodass wir die spannende Überfahrt über die meistbefahrene Wasserstraße der Welt, den Ärmelkanal, kaum genießen können. Statt vieler Ozeanriesen sehen wir nur eine weiße Nebelwand.

Doch dann tauchen aus dem Nebel die weißen Klippen von Dover auf und wenige Minuten und einige nervöse Fahrmeter (der Linksverkehr kostet viel Konzentration) später befinden wir uns schon mitten im selbigen Naturdenkmal. Picknicken, die Klippen "erwandern", die frische Meeresluft inhalieren und dann ab nach Canterbury mit seiner berühmten Kathedrale. In der Nähe dieses Welterbes und mitten in der autofreien Altstadt haben wir eine Unterkunft gebucht.

Die Vorausbucherei hat ja ihre Vorteile, aber sie schränkt auch die Spontanität und Flexibilität ein. Für die Weiterfahrt wollen wir immer erst vor Ort nach Unterkünften suchen. Von einer Hoteldame erfahren wir, dass aktuell aber Bank-Holidays (sprich verlängertes Wochenende) und die einwöchigen Frühlingsferien laufen würden. Na prima, da reist man extra außerhalb der Sommerferien um doch in der Reisezeit zu landen. Na ja, das kann ja abgeklärte Traveller nicht erschüttern. Es wird schon nicht ganz England unterwegs sein. Frohgemut machen wir uns also am nächsten Tag auf den Weg nach Stonehenge.

Über den Menschenauflauf und die Eintrittspreise in Stonehenge kann man sich wundern, aber der Visitor-Center ist gut gemacht und die Anlage und ihre Umgebung hat schon eine mystische Ausstrahlung. Nach diesem weiteren UNESCO-Highlight kommt jetzt noch die lästige Nachtplatzsuche. Raffiniert wie wir sind entfernen wir uns auf kleinen Straßen von Stonehenge und warten auf den ersten Pub mit Übernachtungsmöglichkeit, der uns anspringt. Schnell ist der erste gefunden, hier in Hintertupfingen wird sicher niemand übernachten wollen. Pustekuchen, der Laden ist voll! Ein paar Meter weiter ist ein Bed&Breakfast, dann schlafen wir eben dort. Die betreffende Landlady wirkt etwas ungehalten und scheucht mich vom Hof. Scheint auch voll zu sein. Okay, okay, dann gehen wir halt in die Nobellösung Holiday Inn im nächstgrößeren Ort. Die Übernachtungspreise lassen mich etwas zusammenschrecken, aber fast noch mehr schreckt die Info; sie wären ausgebucht und die Dame an der Rezeption hätte 1h die Umgebung abtelefoniert um Ausweichplätze für ihre Gäste zu finden. Die spinnen doch die Englies. Nicht verunsichern lassen, wir fahren einfach mal weiter, da wartet sicher noch der eine oder andere Laden auf nette deutsche Gäste. Wir folgen jedem noch so kleinen Hotelschildchen durch wunderschöne Landschaften auf winzigen einspurigen Landsträßchen um immer wieder das Gleiche zu hören, "fully booked". Um etwa 21:00Uhr sind wir zurück an der Hauptstraße. Neben der Tankstelle gibt es ein Motel. Yes, das ist die Rettung; dass schöne Unterkünfte an einem langen Wochenende ausgebucht sind, macht ja Sinn, aber eine schnöde Unterkunft an der Fernstraße muss einfach noch ein freies Zimmer haben! Nicht so in England, auch hier passt keiner mehr rein und die Dame wirkt nach unserer Frage nach eine Alternative noch ratloser als wir. Wir checken noch einmal das Internet um zu sehen, dass im Umkreis von 100km selbst bis 500.000Einwohnerstarke Großstädte voll ausgebucht sind. Um ganz genau zu sein, ein einziges Zimmer wird noch angeboten für sagenhafte 770,-€. Das ist doch nicht zu glauben. Es scheint, dass es während den Bank-Holidays zum guten Ton gehört auswärts zu schlafen. Hauptsache "verreisen" und wenn es nur zum Pub nebenan ist oder zum Motel an der Fernstraße; unglaublich.

Doch was hilft das Lamentieren. Irgendwie müssen wir übernachten. Zielloses umherfahren auf engen Straßen macht bei Nacht keinen Spaß, also bleibt uns nur die Nacht im Silerbpfeil. Isabel quetscht sich schlangenfrauengleich in den Kofferraum, Birne hat die Rückbank und Ellie und ich sitzen/liegen in der ersten Reihe. Mal sehen wer, wann und wie morgen nach der Nacht in der Sardinebüchse aufwacht...

Datum: 28.05.2016 (Tag 6) - Tachometerstand: 82930 km - gefahrene Kilometer: 1297 km - Ort: Yeovil (England)