Antwerpen-Dakar-Conakry

Wir sind auf See und ich bin völlig allein beim Frühstück. Kein Koch, kein Steward, aber auch keine Mannschaft, geschweige denn die anderen Passagiere sind zu sehen. Liegen sie wegen Sauerstoffmangel bewusstlos in ihrer Innenkabine? Das leicht schaukelnde Schiff, der stampfende Schiffsmotor und meine quietschende Stockbettleiter machen mich nervös. Die Anspannung der letzten Tage ist gewichen und zum ersten mal wird mir so richtig klar, dass dieses Schiff für die nächsten drei/vier Wochen mein Zuhause sein wird. Quiekquiek, die quietschende Leiter nervt. Ich bekomme doch hoffentlich keinen Koller?! Tatsächlich tue ich mich die ersten zwei, drei Tage an Bord etwas schwer. Die Fahrt duch den vielbefahrenen Ärmelkanal ist noch angenehm ruhig, aber danach schwankt das Schiff bei mäßig wilder See doch teilweise relativ stark. Die für jeden Tag angedachten Radeleinheit im schiffseigenen Fitnessraum lasse ich schnell ruhen, auf dem wackelnden Fahrrad wird mir nur schlecht. Auch sonst bewege ich mich meist mit flauem Magen über Deck, ich bin wohl doch nicht der geborene Seemann. Allerdings habe ich noch, wenn auch nur mäßig Appetit. Das Unwohlsein ist auch noch nicht so stark ausgeprägt, daß ich zu Reisegoldtabletten greifen muss und die rosa Armbändchen, die Schwangere gegen Übelkeit oder Seekranke tragen sollen, lege ich verschämt (vor fremden Blicken geschützt) erst vor dem zu Bett gehen an. Der Leidensdruck bewegt sich also noch im grünen Bereich.

Liegt es an der ruhigeren See, der abgeschlossenen Eingewöhnungsphase oder gar an den rosa Bändchen?, ab Tag 3/4 auf See fühle ich mich bedeutend wohler und entspannter. Wir lassen Europa hinter uns, folgen der afrikanischen Küste und erreichen nach knapp einer Woche Reisezeit mit Dakar (Senegal) die erste Zwischenstation. Leider können wir nicht von Bord, aber auch vom Oberdeck ist es äußerst sehenswert dem Treiben im Hafen zuzuschauen. Ein voller Tag und teilweise auch in der Nacht wird Ladung gelöscht (vornehmlich Fahrzeuge aber auch Container) und Neues eingeladen, dann geht es weiter nach Conakry (Guinea). Hier melde ich meinen Landgang rechtzeitig an und setze fast genau 20 Jahren nach meinem ersten Besuch wieder Fuß auf guineischen Boden. Conakry ist nicht weniger chaotisch wie 1994, zudem platzen die engen Straßen vor Fahrzeugen aus allen Nähten. Die Stadt ist mit ihrem engen Zentrum nicht gebaut für so viel Verkehr und hat durch eine Vielzahl von Autoimporten (zu denen wir mit unserem Schiff ja auch beitragen) eine wahre Autoschwemme erlebt. Ich möchte mich zu der Aussage versteigen, daß ich auf verschiedenen Innenstadtstrecken zu Fuß deutlicher schneller unterwegs bin als viele Autofahrer.

Von Conakry geht es über den Atlantik in Richtung Südamerika. Schon ein komisches Gefühl, wenn man sich vom "schützenden" Land wegbewegt. Wir haben zwar zwischen Antwerpen und Dakar auch immer nur offenes Meer gesehen, aber anhand des GPS konnte man erkennen, daß das Festland nie weit entfernt gewesen war. Jetzt geht es wirklich raus auf hohe See und tatsächlich sollen wir (nachdem wir vor allem um Europa ständig Schiffe gesehen haben) für die nächsten 6-7 Tage kein einziges Schiff mehr zu sehen bekommen. Vorher bin ich allerdings noch ganz platt, als es (ca. 50km) weit vor der westafrikanischen Küste von Fischerbooten nur so wimmelt. In ihren kleinen Nuss-Schalen fahren die wagemutigen Einheimischen weit raus auf das Meer. Ich bin tief beeindruckt, bin ich mir doch ziemlich sicher, daß viele dieser Fischer nicht gut schwimmen können und ein Ausfall der Motoren unter Umständen kapitale Folgen haben könnte. Für unsere Schiffsbesatzung ist das Navigieren hier auch nicht einfach bei der Vielzahl der kleinen Boote. Gerade erst im Hafen von Conakry war es fast zu einer Kollision gekommen, als ein Fischerboot mit ausgefallenem Motor erst im letzten Moment vom Hafenschlepper aus unserer Fahrrinne gezogen wurde. Datum: 28.05.2014(Tag 14) - Tachometerstand: 231 650km - gefahrene Kilometer: 610km / davon Europa 610km / Südamerika 0km - Ort: Grande Nigeria (Atlantik)