Abschied von der Handrücken-Creme

Marrakesch ist wieder schön, aber stressig. Janice fällt nach einer Magenverstimmung leider für einen Tag ganz aus. Der Rest vom Team flieht dem Trubel in die Gärten von Majorelle, die etwas Entspannung versprechen. Auch abends meiden wir den Djema el Fnaa und gehen in einer Nebengasse essen, bzw. schauen auf dem Mini-Fernseher des lokalen Ziegenmetzgers noch die letzten Minuten der Partie Barca gegen Inter. Halb Marokko ist Barca-Fan, da ist die Trauer nach dem Ausscheiden in der Champions-League groß.

Am nächsten Tag verlassen wir durch den chaotischen Verkehr die Stadt und zielen wieder Richtung Hoher Atlas. Wir queren den Tizi n`Tichka (2260m) und überfahren um ein Haar etliche Fossilienhändler, die mit ihren gefärbten Kristallen die Strasse blockieren. Auf der Südseite der Berge wartet die Wüste und das UNESCO Welterbe Ait Ben Haddou, eine befestigte Lehmsiedlung, die gerne als Drehort für Historienschinken genutzt wird. So wurde hier u.a. Gladiator oder Lawrence von Arabien gedreht. Die Ksar ist mittlerweile eher ein Museumsdorf und nur wenige Gebäude werden noch bewohnt. Die meisten Einheimischen haben das Oued-Ufer gewechselt und leben jetzt auf der anderen Seite des Wadis.

Doch nicht nur in Ait Ben Haddou wird von Zeit zu Zeit gedreht. Marokko bietet als krisensicheres Land in der nordafrikanischen Region die optimalen Verhältnisse für schöne Landschaftsaufnahmen. In Ouarzazate kann man die Atlas-Filmstudios besuchen und im nachgebauten Jerusalem (Königreich der Himmel) oder Mekka spazieren gehen. Schade, daß Top-Regiesseur Bisne nicht am Start ist, der auf anderen Reisen (siehe Eine Ode an Karl May) die Tagebuch-Leser mit Oscar-verdächtigen Beiträgen verwöhnt hat.

Wir sind auf dem Parkplatz der Studios noch ganz im Fieber, da kommt der Schlag. Auf dem hinteren Rücklicht liegt eine Zahnbürste; ein Filmrequisit?? Nein, langsam kommt die Erinnerung. Isabel hat zwanzig Kilometer vorher die Bürste am Zeltplatz dort abgelegt und vergessen. Zwanzig Kilometer über Hoppelstrecken und teilweise bei Tempo 90 ist der Zahnreiniger dort liegen geblieben, ein kleines Wunder, das man eigentlich verfilmen sollte. Doch das Happy End bleibt aus, neben der Zahnbürste lag ursprünglich auch noch eine wertvolle Handrücken-Creme (zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich bis vor kurzem garnicht wusste, daß es so etwas gibt), die jetzt vermutlich irgendwo einsam im Wüstensand liegt. Aus der Komödie wird eine Tragödie.

Wir wollen uns nicht lange am Ort des Dramas aufhalten, der Schmerz über die verlorene Creme sitzt zu tief. Viele Wüstenkilometer heilen bekanntlich alle Wunden, also machen wir uns auf in Richtung Antiatlas. Die Strecke ist leider groß, sodaß wir am Abend nahe Tissint übernachten müssen. Schönerweise wissen wir aber noch von der letzten Marokko-Tour, daß es hier mitten in der Wüste einen schönen Bach gibt, an dem man wunderbar zelten kann. Dank des hohen Salzgehaltes kann man auch bedenkenlos baden und muß keine Angst vor Bilharziose haben. Der Sternenhimmel lädt zum Schlafen und freiem Himmel ein. Doch nachts kommen so viele Insekten, daß sie mir fast den Rechner auffressen und Janice und Hugo entnervt aufgeben und kurz vor Mitternacht doch noch das Zelt aufbauen.

Die Wüste ist heiß und in Tata messen wir locker mal 44°C. Auch in den Straßen geht es heiß zu, es wird demonstriert. Wir vermuten, sie kämpfen für angenehmere Temperaturen. Das Thermometer steigt und steigt. Beim Vesper benötigt man für die mitgeführte Nuss-Nougat-Creme kein Messer mehr. Vom Glas läuft die Soße direkt auf das Brot... Schnell weiter in den höhergelegenen Antiatlas. Wir fahren nahe und parallel zur Grenze nach Algerien, werden von einsamen, gelangweilten Polizisten aufgehalten und biegen dann auf die kleinen Bergpisten ein. Sofort sind wir wieder vom Antiatlas, seiner tollen Berglandschaft und den freundlichen Menschen eingenommen. Diese Region ist wirklich eines der schönsten Gebiete Marokkos.

Datum: 01.05.(Tag 31) - Tachometerstand: 252 385km - gefahrene Kilometer: 4879km / davon Europa 2196km / Afrika 2683km - Ort: Igherm (Marokko)

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