Es ist soweit: Seit Jahren schon möchten wir einen Eiskurs belegen, um vielleicht endlich den lange gehegten Traum einer Inlandeistour in Patagonien zu verwirklichen. Aber es ging doch einige Zeit ins Land. Mitte Juni 2011 stehen wir dann tatsächlich mit drei weiteren Gletscherfans plus unserem Kursleiter auf dem Steingletscher am Sustenpass in der Schweiz.
Bevor wir uns allerdings dem Vergnügen bzw. auch Abenteuer widmen, geht es mit Zelt und Rucksack für vier Tage zum Akklimatisieren nach Gwüest unterhalb des Göscheneralpsees, der ein Tal weiter liegt. Der einfache und tolle kleine Zeltplatz liegt fantastisch, so dass man direkt auf den Dammagletscher schauen kann. Zwei Tage machen wir kleinere Bergtouren in der Gegend, dann geht es zum dreitägigen Gletscherkurs mit abschließender Hochtour am Steingletscher. Übernachtet wird im netten Alpincenter unterhalb des Gletschers auf ca. 1.900 m.
Andi, unser Kursleiter, spricht teilweise schwer verständliches Älblerschwäbisch, was nicht nur uns "Eingeborenen" das eine oder andere Mal Schwierigkeiten bereitet, sondern vor allem den drei Auswärtigen aus Iserlohn und Meckenheim, beide NRW. Aber irgendwie klappt es dann doch, so dass keiner in irgendwelchen Gletscherspalten zurückbleibt! ;.) Und Andi gibt sich redlich Mühe, ein etwas deutlicheres Schwäbisch "zu schwätzen".
Tag 1 beinhaltet das Gehen mit Steigeisen und Pickel auf dem Eis, was für uns kein Problem darstellt, da wir dies schon ausgiebig in Patagonien und Island getestet haben. Für die anderen ist es teilweise noch neu. Die Übungen finden am unteren Teil des Steingletschers statt, wo er (bis auf ein paar wenige Schneefelder, die auf Spalten liegen) gut ausgeapert ist. Gehen auf hartem Blankeis oder auf weichem Eis, steil hangauf oder -abwärts, seitwärts, mit Pickel und ohne Pickel, Springen über schmale Spalten und so weiter. Es macht Spaß, ist aber auch anstrengend.
Der zweite Tag steht ganz im Zeichen der Spaltenbergung. Fünf Stunden üben wir das Bergen des Spaltenopfers. Jeder übernimmt dann auch mehrmals die Rolle des Spaltenopfers und lässt sich in die schmale tiefe Gletscherspalte hinabgleiten. Zwei andere "dürfen" retten. Auch hier ist viel Spaß dabei, denn einen 90-kg-Mann zu zweit und anfangs ohne Seilrolle hochzuziehen, ist im wahrsten Sinne keine leichte Sache. Trotz all des Spaßes ist allen bewusst: Das Ganze muss sitzen, damit im Ernstfall schnell gehandelt werden kann. Zum Schluss – und mit laaaangen Armen – steht noch das einstündige Rutschtraining am Steilschneehang oberhalb des Gletschers an. Die Steigeisen müssen runter. Und so rutschen wir mal auf dem Bauch, Kopf hangauf- und auch -abwärts, sowie auch auf dem Rücken hinunter und üben die Bremstechnik. Klatschnass sind wir hinterher, aber zufrieden mit unserem neu erworbenen Wissen
Der dritte Tag ist für unsere Hochtour vorgesehen. Die Wettervorhersagen bieten wechselhaftes Wetter, irgendwann Regen. Aber wir versuchen es und werden mit gigantischen Aussichten belohnt. Früh um 5 Uhr wird gefrühstückt, um 6 Uhr ist Abmarsch. Wir steigen am aperen Teil des Steingletschers ein und gehen in unserer Sechserseilschaft nach oben. Unterhalb eines Eisbruches und kurz vor einem knackigen Aufstieg machen wir Pause. Denn den knackigen Aufstieg müssen wir sicherheitshalber ohne Rast durchziehen, da unter der kompletten Schneedecke die eine oder andere Spalte lauert. Und die Sonne scheint recht bald unerbittlich, da heißt es Augen auf im Gelände!
Unser Ziel ist der 3.091 m hohe Vordere Tierberg, ein kleiner und eher unscheinbarer Gipfel. Dafür bietet er eine grandiose Weitsicht bis zur Berninagruppe, den Finsteraarhorngipfel in der Ferne und viele weitere hohe Berge der Schweiz. Keine Viertelstunde nach unserem Gipfelsturm und schon wieder durch den tiefen weichen Schnee hinab gekämpft, zieht der Himmel zu. Vobei ist es mit der Weitsicht. Aber noch passt das Wetter. Wir machen Rast an der wunderbar gelegenen kleinen Tierberglihütte direkt am Gletscherabbruch. Danach steigen wir über den alpinen Steig und einige Schneefelder ab, da der Gletscher durch die Temperaturen und die Sonne arg aufgeweicht ist, was das Gehen erschwert hätte.
Glücklich sitzen wir um 14.30 Uhr wieder auf der Terasse des Alpincenters beim nachträglichen Gipfelradler! Alles hat prima geklappt: das Wetter, es gab keine schwerwiegenden Stürze, der Gipfelsturm, das Panorama. Und jetzt, kaum sitzen wir, fängt es wie aus Kübeln an zu schütten! Was hatten wir für ein Glück!
Am nächsten Tag sitzen wir noch gemütlich beim Frühstück zusammen, bevor alle wieder gen Heimat fahren – zufrieden und noch mehr eisbegeistert als vorher.